
von Henry Goldmann / Fotos: Bernhard Knell
Den Lebensabend genießen und Spaß haben. So haben wir unseren Leser Henry Goldmann kennengelernt. Entschuldigung, Doktor Henry Goldmann. Henry hat in seinem Leben etwas erreicht und genießt seit über zehn Jahren Stand Up Paddling. Als er uns fragte, ob er seine Geschichte schicken darf, haben wir natürlich sofort ja gesagt und uns das angesehen. Es stellte sich heraus, dass Henry so lange paddelt, wie es das Stand Up Magazin gibt, und er lernte sogar einen der großen Pioniere im Sport kennen. Es war sofort klar, dass wir unseren Lesern seine Geschichte nicht vorenthalten konnten. Gerade auch deswegen, weil Henry nicht zu den Rentnern gehört, die den ganzen Tag im Park sitzen und Tauben füttern, sondern weil er raus auf das Wasser geht – und das auch im Winter.
Aloha, liebe SUP-Community! Lest meine Story als eure mögliche Zukunftsvision, worauf ihr euch in der nächsten oder übernächsten Dekade eures SUP-Lebens freuen könnt!
Begonnen hat es bei mir im Frühling 2010, mit einem Foto aus einem Glanz-Magazin: Leonardo di Caprio neben seiner hübschen Freundin, beide auf einem SUP stehend, mit einem großen Lächeln, und dem Text: «Leonardo di Caprio
entdeckte auf Hawaii das Stand Up Paddeln.» Ab da entdeckte ich die sehr vereinzelten SUP-Fahrer auf dem Zürichsee und mir war klar: «Das will ich auch ausprobieren.» Da war ich 61 Jahre alt.

Es folgten ein Basis- und Fortgeschrittenen-Kurs während der Sommerferien 2011 am Wörthersee in Österreich. Dort lernte ich ein Jahr später, 2012, bei einem SUP-Rennen der SUP-Tour Österreich (ich wurde Dritter) Peter Bartl kennen, ein Erlebnis der besonderen Art! «Learn from the best» heißt eine Devise, also buchte ich bei ihm eine private Lektion. Wir hatten gegenseitig Freude aneinander, ich war bis dahin sein ältester SUP-Schüler. Er schenkte mir sein Büchlein «Trendsport Stand Up Paddeln» (1. Auflage Mär 2011) mit Widmung, das hat einen Ehrenplatz in meiner Bibliothek!
Seitdem paddle ich regelmäßig, zuerst mit einem für sechs Monate gemieteten Hardboard, dann kaufte ich mir ein gebrauchtes Inflatable (eine Riesenmaschine), später dann zwei No-Name-Boards und dann beim Boardshop
«supswiss» von Marc Maurer in Zürich wieder mal ein Hardboard Coreban, vor allem fürs Winter Boarding
Inzwischen war ich so routiniert, dass ich in unserem Ferienhotel am Wörthersee regelmäßig Schnupperkurse für Hotelgäste anbot, zu meinem eigenen Vergnügen! Dazu ein kleiner Exkurs: Sogar eine total ehrgeizige 95 kg schwere Top- Bankmanagerin führte ich zum Erfolgserlebnis, woraus wir folgern: Es ist alles möglich, wenn man den nötigen Ehrgeiz hat.
Vielleicht ist es nicht jedermanns Sache, aber ich paddle das ganze Jahr, im Winter mit einem modernen,
leichten Neoprenanzug, darunter so vie Odlo-Unterwäsche, dass ich (sturzfreies Paddeln
vorausgesetzt) nie wirklich friere. Lasst mich drei einzelne Highlights aus meiner Karriere berichten:

Im Jahr 2016 war ich in New York und bin quer über den Hudson River und zurück gepaddelt – mit einem professionellen Lehrer an der Seite, denn nur so ist es dort erlaubt, wegen des starken und streng vortrittsberechtigten Schiffsverkehrs.
Denkt zurück an Corona, als viele Sportarten verboten waren. Nicht aber der Solo-Sport SUP! Also nutzte ich die Zeit und umrundete in 12 Etappen den gesamten Zürichsee: Mit dem Auto zum Einstiegsort, dann zwei bis drei Stunden zum Etappenziel paddeln, von dort mit ÖV zurück zum Auto, mit dem Auto zum Etappenziel, Board aufladen und back home!
Verbotene kleine Paddel-Events bringen einen guten Kick: In Barcelona warteten wir auf die Fähre nach Mallorca. Diese Pause nutzte ich, um verboten im Hafen von Barcelona herumzupaddeln: Sehr rasch einwassern (Sprungstart!), damit niemand mich stoppen kann, 30 Minuten durch verschiedene Hafenbecken paddeln, dann wieder
schnell an Land und zurück zum Auto!
Meine zwei «Lowlight-Abenteuer» verrate ich euch auch:
Mitten durch Zürich fließt, vom See her, die Limmat, ein Fluss mit je nach Wetter sehr unterschiedlich
starker Strömung. An einem kalten Novembertag unterschätzte ich genau diese strömung, wollte, vom See kommend, vor der «Münsterbrücke» abdrehen; aber die Strömung riss mich mit, unter der Brücke durch in die Fahrverbotszone. Schließlich konnte ich mich gerade noch an einem Schiffssteg festhalten; aber das Board wurde unter meinen Füßen von der Strömung weggezogen, blieb zum Glück zwischen zwei Pfählen hängen, aber beschädigt. Und ich, ins Wasser gestürzt, konnte mich gerade noch an den Planken festklemmen, wurde von Passanten an Land gezogen, konnte das Board hochhieven und mich dann von zuhause abholen lassen.
Es war tiefer Winter, Schnee auf den Dächern, und ich wollte einwässern im kleinen «Hafen Enge». Aber als das Board schon im Wasser lag, wurde ich von einer bewundernden Passantin angesprochen – und schon war das Board entglitten, lag einsam auf dem Wasser in diesem kleinen Hafen. Was tun? Weil Winter war, war kein anderes Boot in Sicht. Mit meinem ganzen Mut rief ich die Wasserschutzpolizei an, und die kamen tatsächlich als Helfer in der Not und fischten mein Board heraus. Zum Dank brachte ich tags darauf eine Schachtel Pralinen zur Wachstation der Seepolizei.

Micro-Interview mit Henry
Aloha Henry,
Danke, dass du so ein treuer Leser des Stand Up Magazins bist. Mir wurde hier gerade bewusst, dass du so lange am Paddeln bist, wie ich über den Sport schreibe. Als du in deiner Geschichte Peter Bartl erwähnt hast, kamen mir einige alte Erinnerungen auf. Erzähl doch kurz, wie es damals war, bei Peter Bartl einen Kurs zu machen?
Wir waren im Sommer 2012 am Wörthersee in den Ferien. Da war gerade zur gleichen Zeit ein Austrian SUP Tour Race und es gab ein Gästerennen. Ich war 63 und habe mich angemeldet und wurde unerwartet Dritter. Peter Bartl war mit dabei und er war Dreh- und Angelpunkt der Veranstaltung und ich habe ihn angesprochen. Ich machte dann einen Kurs bei ihm, das war nur eine halbe Stunde und ich lernte so viel. Peter zeigte mir viele Finessen, dann hatte er mir sein Workbook geschenkt. Er war ein spezieller Typ und ein Pionier. Das Buch habe ich immer noch hier bei mir.
Du scheinst ja echt ein hartgesottener Paddler zu sein. Wie war denn dein Winter dieses Jahr, wie oft kamst du aufs Wasser?
Diesen Winter war ich leider nur sechs Mal auf dem Wasser. Die Hauptsache im Winter ist Sonne und kein Wind, aber Temperaturen machen mir nichts. Es ist einfach wichtig, dass man die richtige Bekleidung hat. Dann gehe ich meist in den Hafen Enge in der Nähe, wo ich wohne. Im Winter ist es fast am schönsten, weil man so alleine auf dem See ist. Die winterliche Stimmung hat etwas sehr Spezielles und das kalte Wasser liegt viel ruhiger im See als das warme im Sommer.
Neben dem, dass du selber viel paddelst, verfolgst du die Geschehnisse im aktiven SUP-Sport?
Ja eigentlich schon, aber hauptsächlich wegen des Stand Up Magazins und das sage ich jetzt nicht,
weil ich mit dir spreche. Ich genieße die Fotos und die Geschichten rund um den Lifestyle.
Was die aktuellen Athleten betrifft, dann aber nicht so sehr. Wenn ich die Rankings anschaue, interessiert mich natürlich, ob es Schweizer gibt. Ich bin eher Fan von den Pionieren wie Sonni Hönscheid, Fiona Wylde, Kai Lenny und Connor Baxter. Das sind für mich die SUP-Stars. Bei den Schweizern kenne ich natürlich Anna Tschirky und ich kenne auch Guido Donze, aber ich fahre jetzt nicht extra zu Rennen. Falls es eins auf dem Zürichsee gibt, dann bin ich natürlich dabei.
Jetzt aber mal noch kurz was anderes, du hast bestimmt einige Kollegen in deinem Alter, was sagen die, wenn die dich Mitte siebzig noch paddeln sehen? Denken die, der spinnt doch total oder sind die eher neidisch?
Also ich würde das als eine skeptische/neidische Bewunderung bezeichnen. Die sind schon etwas
ungläubig. Für die sieht es schwieriger aus, als es eigentlich ist. Ich habe auch schon den einen oder
anderen dazu überredet, aber alle waren dann doch jünger.
Hast du noch ein paar Ziele im Paddeln? Irgendwelche Gewässer, von denen du träumst?
Mein großer Traum ging eigentlich schon 2016 in Erfüllung und das war der Hudson River, von dem ich schon erzählt habe. Das war das Highlight meines Lebens und wenn wir in den Ferien sind, gehe ich paddeln, wie zum Beispiel letztens aufMallorca.
Was braucht es eigentlich, um sich noch so zu bewegen?
Auf dem Wasser geht es um Balance, also vor 10 Jahren war das noch einfacher mit den Wellen.
Jetzt, mit 74, muss ich schon schauen, dass das Wasser ruhiger ist.
Vielen Dank nochmals für deine Geschichte, ich fand das sehr inspirierend und es zeigt, was man im Alter noch alles machen kann.
DR. HENRY GOLDMANN, 74, LEBT IN KILCHBERG AM ZÜRICHSEE, WAR DOZENT AN DER UNIVERSITÄT ZÜRICH UND LEHRER AN EINER KAUFMÄNNISCHEN BERUFSSCHULE, JETZT STARTUP-UNTERNEHMER MIT DEM BRAND «SENIOR SPEED COACH» WWW.HGOLDMANN.CH
HENRY FREUT SICH IMMER AUF BESUCH AUS DER SUP-COMMUNITY.
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