Jimmy Lewis – ein lebendiges Geschichtsbuch

Aus dem Stand Up Magazin #23

Text: Mike Jucker
Fotos: Jimmy Lewis and Friends

Es ist ein Privileg, mit dem Stand Up Magazin die verschiedensten Leute zu treffen, zu interviewen und deren Geschichte zu erzählen. Die Anzahl der Leute, über die wir im Stand Up Magazin in den letzten zwölf Jahren geschrieben haben, habe ich nicht im Kopf und spielt auch keine Rolle. Was aber eine Rolle spielt ist, wie verschieden diese Leute sind und doch haben sie alle etwas gemeinsam: Die Leidenschaft zum Wassersport. Einige von ihnen sind jung und voller Träume, andere stehen mitten im Leben und wieder andere blicken in ihrem Alter auf eine ereignisvolle Vergangenheit zurück. So ein Jemand ist Jimmy Lewis. Jimmy ist Boardshaper, länger als die meisten von uns am Leben sind. Jimmy Lewis‘ gleichnamige Marke und das dazugehörige Logo ist sehr bekannt. So bekannt, dass andere es schon kopiert haben und sogar den Namen abgeändert benutzten. Wir zählen das Jahr 2023, als ich mit Jimmy auf den Treppen seiner Werkstatt sitze und er mir seine Geschichte erzählt, die in den sechziger Jahren anfing:

Ich bin in den sechziger Jahren im südlichen Kalifornien aufgewachsen. Mein älterer Bruder und ich hörten im Radio die „Surfmusik“, die gerade populär wurde. Ich war ungefähr zwölf oder dreizehn Jahre alt und wir liebten diese Musik. Mein Bruder wollte dann anfangen zu surfen und ich dann natürlich auch sofort. Ich war in der 6. Klasse und musste das machen, was mein Bruder macht. Ich erinnere mich noch, wie wir in den Sommerferien zwischen der 6. und 7. Klasse mit meiner Mutter zum Strand fuhren. Da gab es einen „Surfshop“ mit einem Shaper. Ich nahm einige seiner Abfälle mit nach Hause und baute mir aus dem übrigen Schaumstoff ein Mini-Surfbrett. Dann schnitt ich die Surflogos aus Magazinen aus und laminierte die auf meine Miniboards und dachte, das sei das Tollste.

Als ich dann in die 7. Klasse kam, wollte ich ein richtiges Brett aus Holz machen. Wir hatten damals kleine Bretter, die man auf dem Bauch fahren konnte. Ich wollte also unbedingt so ein „Bellyboard“ machen. Der Lehrer vom Werkunterricht sagte aber, das wäre ein viel zu großes Projekt und ich müsse bis zur 9. Klasse warten. Zwei Jahre warten bis ich das machen durfte, das war eine Ewigkeit und ich erinnere mich noch daran, dass ich zwei Jahre lang an nichts anderes denken konnte, als endlich in die 9. Klasse zu kommen, mir ein Brett machen zu können und damit surfen zu gehen. Wir surften natürlich schon vorher. Ich kam endlich in die 9. Klasse und konnte dieses Brett machen. Der Werkunterricht war aber nicht jeden Tag, also dauerte es vom Sommer bis zu den Weihnachtsferien, bis das Brett endlich fertig war. Ich konnte es kaum erwarten, damit ins Wasser zu gehen.

Der Lehrer meinte aber, ich solle der Klasse zeigen, wie ich das Brett fertig mache. Das war sehr ärgerlich, denn der Werkunterricht war ja nicht jeden Tag und das würde mein Projekt noch weiter verzögern. Dazu kommt, dass die Schulschreinerei nicht geeignet ist für arbeiten mit Epoxy und Glasfaser. Ich versteckte das Brett also hinter der Tür und am Freitag vor Ferienbeginn nahm ich das Brett einfach mit nach Hause.

Der Lehrer fand das gar nicht toll und ließ mich in der Klasse durchfallen. Ich hatte immer beste Noten im Werken, aber dieses Brett hat mir ein „F“ für Fail eingebracht. Mein Ziel war mir aber wichtiger: Das Brett musste zu Weihnachten fertig sein, damit ich ins Wasser konnte.

1967 zogen wir in den Norden nach Berkley, wo meine Mutter zur Universität ging. Ich dachte, meine Surftage wären vorbei. Ich wusste nur, dass es sehr kalt ist in Nordkalifornien und dachte, da wären Eisberge im Wasser. Nach ca. sechs Monaten kam mein Bruder zu Besuch, wir fuhren nach Santa Cruz und gingen surfen. Ich war sehr überrascht! Es war zwar kalt, aber lange nicht so kalt wie ich dachte. Ich lernte dann auf der Highschool andere Kids kennen, die surften. Mit denen fuhren wir dann oft an einen Strand nördlich von San Francisco. Eines Tages, das war im Jahr 1968, sah ich ein selbstgebautes Surfbrett am Strand. Es war ein kurzes Brett und mir war sofort klar, dass ich so etwas auch bauen kann. Ich schnappte mir das Auto meiner Mutter und fuhr nach Santa Cruz zu O’Neill (die hatten damals auch Surfbretter). Ich kaufte mir dort ein „Blank“, Kunstharz und Glasfaser und ging wieder nach Hause, um mein erstes, richtiges Surfbrett zu machen. Das führte dazu, dass ich dann auch ein paar Bretter für meine Kollegen machte. Ich schloss die Highschool 1969 ab. Mein Bruder war schon auf Maui und ich wollte da unbedingt auch hin. Mein Kollege Tony wollte mit mir dahin kommen und so arbeiteten wir den ganzen Sommer, um Geld für die Reise zu sparen. Nach dem Sommer gingen wir also nach Maui. Das Leben dort war aber nicht sehr einfach. Ich war 18 Jahre alt und war das erste Mal weg von zu Hause. Ich schaffte es gerade mal drei Monate und ging dann wieder nach Hause zu meiner Mutter nach Berkley. Ich machte mir ein neues Brett, blieb zwei Monate bei ihr und zog danach nach Santa Cruz, wo ich mir einen „Shape Room“ in das Schlafzimmer eines Hauses einrichtete.

Im Frühjahr 1971 war ich dann bereit, einen neuen Anlauf auf Maui zu nehmen. Ich war jetzt älter und war über ein Jahr weg von zu Hause. Ich wusste, was mich auf Maui erwarten würde und war einiges besser vorbereitet. Ich hatte ein paar Jobs bei Surfshops und lebte vier Jahre an der Westseite in Lahaina. Dort hielt ich mich als Kellner und Maler über Wasser. Die Priorität lag aber beim Herstellen von Surfboards und natürlich so viel im Wasser zu sein, wie es nur geht.
Wie so viele Surfer, waren wir sehr unzuverlässig. Ich meine, wir arbeiteten, um uns über Wasser zu halten, aber die Prioritäten waren beim Surfen. Dazu fällt mir eine gute Geschichte ein:

Mein Freund und ich, der war noch unzuverlässiger als ich… also eines Sommers waren wir in Lahaina am Surfen nach einer sehr langen Zeit ohne Wellen. Wir lechzten förmlich nach Wellen. Als Kellner wussten wir aber, dass wir um 15:00 Uhr auf der Arbeit erscheinen mussten, um die Tische zu decken. Es war langsam Zeit zu gehen, aber wir sagten uns, für eine Welle hätten wir noch Zeit. Daraus wurde dann: Ist ja nicht so schlimm, wenn wir etwas später kommen. Wir surften also noch eine Weile und entschieden uns dann uns einfach, uns für den Tag krank zu melden. Noch bevor wir wieder ans Ufer paddelten, haben wir uns dann gesagt: „Scheiß drauf, wir kündigen einfach.“ Alles innerhalb einer Surfsession! Von „wir kommen spät“ zu „fuck it, wir gehen gar nicht mehr zur Arbeit.“ So war das Surferleben auf Maui.

Ende der siebziger Jahre war dann Windsurfen richtig populär. Da waren Mike Walze und Fred Haywood, die waren auf Hoyle Schweitzers Brettern unterwegs und die hatten die Idee, „Sailboards Maui“ zu gründen. Mike war öfters hier und entdeckte, wie gut Ho’okipa zum Windsurfen ist. Anyway… 1979 arbeitete ich in einem Surfshop namens Mana Surfboards. Eines Tages kam Mike Walze mit seinem Kollegen zum Shop und wollte ein Custom Windsurfboard. Der Shopinhaber war auch Shaper, aber aus irgendeinem Grund ließ er mich das Brett für Mike machen. Das war der Moment, wo ich dachte, dass ich mir meinen Lebensunterhalt mit Windsurfboards verdienen könnte. Surfbretter machen war immer so eine Sache nebenbei und ich war nicht sehr seriös. Ich hätte schon viel früher Geld damit verdienen können, war aber wie gesagt nicht seriös genug. Von den meisten Leute, denen ich ein Brett machte, verlangte ich 10 $. Ich dachte, nur so würden die zu mir kommen und ich mochte die Arbeit einfach so sehr. Mike Walze und Fred Haywood gründeten also ihre Firma Sailboards Maui. Freds Familie hatte ein Haus in Kahului, von wo sie ihr Geschäft einrichteten. Ich selber lebte dann in Kihei und baute mir einen Shape Room. Das gefiel dem Vermieter aber nicht und er sagte mir, ich müsse alles abbauen. Fred und Mike waren dann so nett und boten mir an, meinen Shape Room bei ihnen einzubauen.

Später kam ein Typ vom Festland, der für Hoyle (Schweitzer) arbeitete. Er wollte ein paar kürzere Bretter, die ich ihm machen sollte. Es war ein 9′ Fuß Board und ein 8′ Fuß Board in zwei verschiedenen Shapes. Daraus wurde das Rocket 99 und das Rocket 88. Damals gab es schon einige Windsurfrennen. Der PanAm Cup auf Oahu war das größte Event, das es gab. Robby Naish war noch ein Kind und verblüffte die Welt mit seinem Talent. Dann kam ein Jemand und brachte ein Windsurfrennen nach Maui. Ich glaube, das hieß „Grand Prix“ und daraus wurde später das ALOHA Classic. Mike und Fred organisierten das, wenn ich mich richtig erinnere. Es kamen viele Leute her und alle sahen, wie viel besser Maui zum Windsurfen war als Oahu. So wurde Maui zum Epizentrum der Windsurfwelt. Ich war der Mann für Sailboards Maui, der alle Custom Boards für die Marke machte. Das machte dann auch mich und meine Arbeit bekannt auf der ganzen Welt.

In dieser Zeit – und auch schon ein paar Jahre vorher – war Dick Brewer einer der einflussreichsten Shaper in der Branche. Dick Brewer hatte in allen seinen Boards hinten am Tail eine konkave Delle rein geshaped. Ich bin nicht ganz sicher, was es bewirkte, aber auf jeden Fall was das ein großes Merkmal seiner Bretter. Eines Tages war ich auf der Arbeit und versenkte aus Versehen mein Schleiffblock im Schaumstoff des Brettes. Ich dachte „So ein Scheiß, was mache ich jetzt? Um das Brett zu retten, schliff ich auch eine konkave Delle in mein Brett hinein.

Anyway… das war also mein Brett, von dem ich dachte, es sei unverkäuflich. Irgendwann kam Pascal Maka nach Maui und auch in den Shop von Sailboards Maui.


Info: Der Franzose Pascal Maka ist einer der einflussreichsten und besten Windsurfer seiner Zeit. Pascal Maka brach 1986 mit 38.86 Knoten den Weltsegelrekord. Es war die schnellste Geschwindigkeit, die je von einem segelbetriebenen Wassergefährt aufgestellt wurde. Zuvor waren es nur Katamarane, die so schnell segeln konnten.


Es gab damals Speedrennen auf der Welt, ein Rennen in England und eins war in Frankreich. Viele von uns wollten auch an solche Rennen gehen und diese Rennen wurden immer populärer. Es ging darum, wer nur von Wind angetrieben über eine Strecke von 500 m am schnellsten ist. Da war ein Katamaran namens „Crossbow“, der den Weltrekord im Segeln hielt. Alle Windsurfer wollten diesen Katamaran schlagen. Natürlich gab es verschiedene Klassen, aber eben „Crossbow“ hielt den „absoluten“ Rekord und alle wollten einen neuen Rekord aufstellen.

Nun kaufte eben Pascal Maka dieses Brett mit meiner Delle und ein Maui Sail. Damit ging er nach Weymoth in England und segelte 27.82 Knoten. Ich habe noch ein T-Shirt davon. Das zeige ich dir.

Das war einfach unglaublich, die ganze Windsurfwelt war in Aufruhr! Also kennst du noch Arnaud De Rosnay? Das war ein Franzose, er war erst Surfer und dann Windsurfer. Er machte sich einen Namen mit Kanalüberfahrten (Channel Crossings). Er segelte über einige Meeresengen und im Jahr 1984 verschwand er zwischen Taiwan und China mit seinem Windsurfer. Er schickte mir damals einen Telex (Fernschreiben), als Pascal auf meinem Brett den neuen absoluten Segelspeed-Rekord aufstellte.

Nun waren alle interessiert an Speedsailing. Das war 1982 und 1983 wollte Fred Haywood auch nach England zu diesem Rennen gehen. Ich baute ihm also zwei spezielle Speedboards und änderte die konkave Delle etwas ab.
Fred ging nach England und war dann noch schneller als Pascal. Fred schaffte es über 30 Knoten zu segeln. Pascal war natürlich auch da, aber er hatte ein neues Brett von einem französischen Shaper. Fred ließ ihn im „Staub“ zurück. Das zeigte dann, dass meine Bretter die besten waren. Nach Freds Sieg war mein Brett, immer noch mit Sailsboars Maui, auf jeder Titelseite auf allen Windsurfmagazinen der ganzen Welt.

Ich hatte aber damals schon mein Logo auf meinen Visitenkarten und laminierte das Logo von der Visitenkarte ganz klein auf das Brett. Um 1984 wurde Sailsboards Maui aufgekauft, die Factory war dann schon in Paia und nicht mehr bei Freds Familie im Haus. Der neue Besitzer stellte einen zweiten Shaper ein, der jetzt auch meine Shapes machen sollte. Ich befand, dass wenn jemand anderes meine Shapes macht, ich dann eine Provision erhalten sollte. Der neue Besitzer war nicht begeistert von dieser Idee. Er meinte, ich hätte ein zu großes Ego. Mir war egal, was er dachte und baute mir meinen eigenen Shop und Shape Room in Haiku. Jetzt war alles unter meiner Marke und ich produzierte Windsurfboards mit dem „Shark Logo“. Obwohl ich das Logo schon seit den siebziger Jahren hatte, wurde die Marke eigenständig. Meine Marke hieß damals eigentlich „Mud Shark“ – benannt nach einem Lied von Frank Zappa. Aus reinem Witz nannte ich meine Bretter „Mud Shark“ und mein Bruder zeichnete mir den Hai (Shark).

Jimmy Lewis SUP Surfing

Einmal wurde ich von Levis Jeans in Belgien auf meinen Schriftzug verklagt. Es kostete mich 15.000 $, um denen das Gegenteil zu beweisen. In Deutschland gibt es eine Uhrenmarke, die ihr Logo sehr ähnlich gemacht hat, die sponsern das Windsurf Speedrennen in Namibia. Die Leute denken dann immer, das wäre ich. Mir macht das nichts aus. Ich sehe das als Kompliment.
(Anm.d.Red.: Die US Großhandels Kette Costco verkauft Billigbretter mit dem namen „Jimmy Styles“.)

„Ich schalte mich hier kurz in die Geschichte ein, denn nun brennt die Frage, wie Jimmy Lewis den Niedergang der Windsurfbranche überlebt hat.“

Im Jahr 1989 habe ich mir hier Land gekauft. Zur gleichen Zeit haben sich auch meine Prioritäten etwas verschoben. Ich war jetzt Landbesitzer und mein Sohn wurde eben geboren. Wenn die Wellen gut waren, trafen wir uns immer alle bei Ho’okipa, aber wenn keine Wellen waren, gingen wir nach Spreckelsville und drehten runden auf unseren Slalomboards. Irgendwann kamen aber immer weniger Leute zum Strand und alleine Runden zu drehen war sehr langweilig. Ich kam an den Punkt, wo ich mich fragte, ob ich jetzt den Rasen mähen sollte oder zum Strand gehen. Ich entschied mich für Rasenmähen. Ich hatte genug Arbeit, aber stimmt schon: Die Factoryboards wurden weniger und ich begann, das Interesse an Windsurfen zu verlieren. Das war alles so in den frühen neunziger Jahren. Ich hatte dieses Land und baute ein Haus darauf. Dazu konnte ich mir jetzt auch meine eigene Werkstatt zum Bretter machen bauen. Wir waren zu dritt und wir machten auch Surfbretter, aber irgendwann mussten mein Bruder und mein Angestellter auf Jobsuche gehen. Ich fing wieder an zu surfen, aber nur auf Longboards und machte auch einige davon.

Das ging gut bis Ende der Neuziger, als ich Lou Wainman kennenlernte. Lou war Kiteboarder und ich sagte den Leuten immer, wenn sie ein Brett vor mir haben wollen, sollen sie es einfach sagen. Also kam Lou eines Tages vorbei und fragte nach einem Kiteboard, also machte ich ihm eins. Innert weniger Monaten verbesserte er sein Können und er hatte viele Ideen, wie man ein Kiteboard designen könnte.

Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit der richtigen Person. Wir produzierten viele Boards und mein Bruder kam wieder zurück, um mit mir zu arbeiten. Wir machten so viele Kiteboards, dass ich meine Factory kontaktieren musste. Ich hatte seit den achtziger Jahren Kontakt zu einer Factory dank eines Royaltydeals mit einer anderen Windsurfmarke. Die Windsurfmarke verschwand aber und ich blieb in Kontakt mit den Leuten der Fabrik. Ich kontaktierte sie also und fragte, ob sie meine Bretter machen können. Ich war einer der ersten Kunden und kannte sie schon lange. Sie nahmen meine Anfrage an und begannen meine Twin-Tip Kiteboards zu produzieren. Eines Tages war ich in der Factory und sah Surfbretter von anderen Marken. Dann dachte ich, da ich ja eh schon Surfboards mache, warum probieren wir nicht mal ein paar „Productionboards“ aus. Ich machte Longboards, Minimalibus und auch Shortboards. Etwas später kam der SUP-Trend und wir fügten nun auch SUPs zu meiner Kollektion hinzu. Von da an wurde alles nur noch größer und meine Produktion verschob sich in Richtung Productionboards und weniger Customboards. Mir war das aber auch ganz recht. Mein Bruder musste also wieder auf Jobsuche gehen und der andere Typ kündigte, weil es hier nicht mehr viel zu tun gab.

Ich habe aber immer Boards geshaped und werde auch immer Boards shapen. Ich mache ja alles selber, vom Shapen bis zum Polieren, alles ich. Ich mag aber keine Sandwichboards mehr oder Vacuumboards, das mache ich nicht mehr. Ich bin jetzt im Ruhestand und wenn einer kommt und das will, was ich mache, dann mache ich das gerne. Wenn ein Kunde etwas anderes will, muss er/sie aber woanders hin. Es ist immer ein Kompliment, wenn jemand kommt und das haben möchte, was man macht. Aber ich bin jetzt eben in einem Alter, in dem ich nur das machen möchte, was ich machen möche und wenn ich es möchte.

„Ich bin sehr fasziniert von Jimmys Lebenslauf und höre einfach nur zu. Jetzt, wo Jimmy aber ein älterer Herr ist und wir das Jahr 2023 zählen, möchte ich mich nach seinen Wünschen zu seinem Vermächtnis erkundigen. Jimmy Lewis‘ Marke und Logo ist so bekannt wie andere große Marken. Aber anders als bei den anderen steht immer nur noch Jimmy hinter dem Ganzen. Keine großen Büros mit Marketing- und Vertriebsabteilungen. Es ist immer noch Jimmy, der alle Fäden in der Hand hält und der Mann ist 72 Jahre alt.“

Wenn ich morgen tot wäre, wäre das einzige, was mich freuen würde, wenn mein Sohn Marlon das Ganze noch etwas am Leben erhalten würde. Ich sage ihm, du kannst mit meinen existierenden Shapes noch einige Jahre weiter machen. Wenn Marlon das aber nicht will, dann ist es halt so. Wenn ich tot bin, dann bin ich weg. Ich schaue nicht von einer Wolke herunter und sage: „Ach, warum kauft denn keiner meine Boards mehr.“ Wenn ich weg bin, bin ich eben… weg. Da kann man nix machen. Klar, die Leute, die noch Boards von mir haben, die können dann halt kein neues kaufen, aber da habe ich ja keine Kontrolle mehr drüber. Mein Sohn kann dann entscheiden, was er machen will, das ist dann seine Sache. Ich meine, ich wuchs in der goldenen Zeit des Surfens auf. Viele Leute kennen die großen Namen gar nicht von dieser Zeit. Namen von Leuten, die meine Helden waren. Es kommen neue Generationen und auch mein Name wird irgendwann vergessen sein. Gerade in der Zeit, in der wir jetzt leben. Damals hatten wir noch Fotos, jetzt wenn Jaws bricht, haben wir hunderte von Bildern im Internet. Morgen bricht die Pipeline und die Leute geben einen Scheiß darauf, was gestern bei Jaws passiert ist. Wer wird sich noch an mich erinnern, zehn Jahre nach meinem Tod? Wir leben in einer Zeit, in der wir mit News und Content überflutet werden. Da habe ich keinen Bock drauf. Ich poste Bilder auf Social Media, wenn es etwas spezielles gibt und nicht zwanzigmal pro Tag, wie andere Leute. Generationen kommen und Generationen gehen, das ist so und bei mir auch nicht anders.

„So sitze ich also mit Jimmy auf der Treppe vor seiner Werkstatt und wir fabulieren über Social Media und wie sich die Zeiten geändert haben. Wenn ich Leute wie Jimmy treffe und deren Geschichte höre, gehe ich immer ganz bewusst unvorbereitet in so ein Gespräch, weil es so viel spannender wird. Die Zeit mit Jimmy verging wie im Flug. Ich sitze hier und höre die Geschichte eines Jungen, der nur eines will im Leben: Surfbretter machen. Aus diesem Jungen ist eine weltweit anerkannte Marke geworden. Vermächtnis hin oder her, ich werde mir bestimmt noch ein Brett von Jimmy shapen lassen, damit ich eines Tages sagen kann: „Das hat Jimmy Lewis für mich gemacht.“