SUP Yukon River Quest mit Thomas Schillig

Eine erzählung von Thomas Schilling / Fotos: @schaienfotografie

715 Kilometer pure Abenteuerlust – das ist der Yukon River Quest, ein atemberaubendes Paddel-Rennen mit SUP-Kategorie, das seine wagemutigen Teilnehmer an die Grenzen ihrer Ausdauer und Wildniserfahrung bringt. In den Tiefen der kanadischen Wildnis erstreckt sich diese 50- bis 60-stündige Herausforderung, fernab jeglicher Zivilisation und kaum erreichbar über herkömmliche Strassen.

Inmitten dieser Herausforderung wage ich mich als Ultra Long Distanz Paddler und mittlerweile Kenner des Yukon erneut in dieses Abenteuer. Ich von der Aura des Yukon Rivers fasziniert und lasse mich von der Aussicht auf solch epische Langstrecken-Rennen antreiben. Ein Rennen das nicht den Körper, sondern auch den Geist auf die Probe stellt und Abenteurerherzen höher schlagen lässt.

Nie und nimmer werde ich so ein Rennen fahren! – Behauptete ich 2016 als ich hörte dass SUP am Yukon River Quest teilnehmen dürfen. Einerseits ist es zu anstrengend und andererseits viel zu schade diese wunderschöne Natur so zu durcheilen. Als ich 2018 einen Dokumentarfilm über Bart de Zwart und Alain de Sain am Yukon River Quest drehte, packte mich das Fieber so richtig und ich entschloss mich anzumelden.

Die Zeit wird völlig neu definiert. Man zählt nicht Stunden und Kilometer. – Zumindest zu Beginn nicht. Vielmehr setze ich mir Etappenziele. Der erste Flussteil, ca. 3h, das ist ein Warmup für den See, und diesen gilt es in ca. 8h zu überqueren. Gerade auf dem See ist das Feld noch eng beisammen und man kommt schnell mit anderen Paddlern ins Gespräch und findet heraus dass der See wirklich der härteste Teil ist und alle anderen etwa gleich motiviert sind an dessen Ende zu kommen. Nach 4h Paddeln auf dem See ist die Hälfte schon erreicht. – Ein Bruchteil des gesamten Rennens. Zwei Stunden später sind diese 4h schon halbiert. – Ja, ich persönlich vertreibe meine Zeit auch mit mathematischen Spielereien. Und wenn ich in den hohen Wellen mal ans Limit stosse so schalte ich etwas motivierende Musik ein.

Ein kurzer Vorfall unterbricht meine Rechnereien. Der führende Stand Up Paddler Christoph Webber vor mir ist im Wasser und hat Mühe zurück aufs SUP zu kommen. Die sehr hohen seitlichen Wellen mit Schaumkronen haben auch ihn für längere Zeit in die Knie gezwungen und nun versucht er mit wackeligen Beinen aufzustehen. Zusammen mit einem Voyager-Boot (8er Kanu) helfen wir Ihm zurück aufs Board und stellen sicher dass er weiter paddeln kann. Nun führe ich das Feld der Stand Up Paddler an. Ich folge noch einige Kilometer dem Voyager durch die hohen Wellen. Doch lange kann ich dieses Tempo nicht halten. Als sich die Wellen ein Bisschen beruhigen paddle ich wieder mein eigenes Tempo

„Hast du den See überstanden, so schaffst du auch den Rest“ 

Diesen Satz hört man von vielen Teilnehmern. Denn ist man einmal zurück auf dem Fluss so fühlt es sich rasant an wie auf einer Achterbahn. Bei dieser Gelegenheit kann man auch mal ausruhen, essen, trinken und kommt mit der Strömung immer ein Bisschen Vorwärts. Trotzdem mache ich beim Checkpoint am Ende des Sees eine kurze Pause an Land um mein durchschwitztes Shirt zu wechseln, die müden Füsse zu vertreten und um neue Essenspakete umzuladen.  

In diesem Moment überholt mich auch schon Christoph mit dem SUP der wohl wieder bestens wohlauf ist.

Alle Achtung! Dieser Mann ist bereits 68 Jahre alt, hat den Yukon River Quest schon ein paar mal im 2er Kanu absolviert, steht aber erst seit letztem Herbst auf dem SUP!

Ich beschliesse das Umladen des Essens auf dem SUP vorzunehmen, denn ich muss sowieso noch Flusswasser nachfüllen und mit Entkeimungstabletten und Getränkepulver anreichern. Doch es war eine etwas voreilige Entscheidung mich in der erstbesten Strömung hinzusetzen und das Paddel abzulegen. Schon bald lande ich, während ich mich meinem Essen widme, im ersten Kehrwasser völlig ausserhalb der Strömung. So war das nicht geplant!

Dennoch konnte ich innerhalb einer Stunde wieder auf Christoph aufholen. Fortan paddelten wir gemeinsam. Ab und zu ein Gespräch macht das Paddeln enorm kurzweilig. Aber ohne uns abzusprechen entwickelten wir eine gemeinsame Paddelstrategie. Jede Stunde knieten wir uns für ca. 5 Minuten hin um etwas zu essen und die Füsse zu entlasten. Dabei mussten wir aber unsere Paddlerei stets fortsetzen um nicht rückwärts in einem Holzstapel oder auf einer Kiesbank zu landen. Ganz nach dem Motto: „Wenn du langsamer als der Fluss fährst, dann fährt der Fluss dich.“

„Reichen 10 Stunden Pause bei fast 3 Tagen paddeln?“

Dieses Jahr muss der gesamte Pflichtstopp von 10 Stunden in Carmacks verbracht werden. In früheren Jahren waren es zwei Orte in welchen die 10 Stunden aufgeteilt wurden. Ich habe mir im Vorfeld schon ein Bisschen Gedanken gemacht wie sinnvoll nur eine lange Pause ist, aber ich mache mir das Beste daraus. Meine Strategie: Den ersten Teil bis zur Pause intensiver paddeln und nach 10 Stunden ausgeruhter in den zweiten Teil starten welchen ich gemütlicher angehen werde. … je nach Verfolger-Feld. 

Unerwartet schnell erreiche ich Carmacks. Sogar schneller als im Rekord-Hochwasserjahr 2022. Ich bin vor meiner geplanten Zeit im Ziel.

In Carmacks gibt es unumstritten die besten Burger der Welt! – Ohne wenn und aber. Das behaupten zumindest all jene die sich während über 24h abgerackert haben.

Doch noch ist mir nicht nach essen. Mein Support-Team hilft mir beim Verstauen und Abladen des SUP. Die Notfall-Ausrüstung hinten auf dem SUP bleibt unangetastet während Essen, Trinken und Kleider vorne auf dem SUP aufgefrischt werden. Nach gut 1h liege ich geduscht im Camper und versuche zu schlafen. Doch es ist zu heiss. – Das liegt nicht nur an der Affenhitze im Inneren, sondern vielleicht am wärmenden Öl der sonst wohltuenden Massage. Nach 5 Stunden dösen und wälzen gebe ich auf und wage mich an die frische Luft in den Liegestuhl. Jetzt gibts einer dieser legendären Burger! und noch etwas Pasta um mich für die Weiterfahrt zu stärken. Ich geniesse diese 3-4 Stunden welche ich noch gemütlich vor dem Camper verbringen kann um mich vorzubereiten.

„Nach 10 Stunden Pause zurück aufs Board steigen braucht schon etwas Überwindung.“

Es schmerzt noch alles, ich spüre jeden Muskel. Doch aus meiner Erfahrung weiss ich, dass diese Schmerzen beim Lospaddeln bereits innerhalb 1-2 Stunden nachlassen. Sollte es wirklich nicht gehen, so habe ich immer noch die Möglichkeit in Minto abzubrechen. Dort ist der letzte mögliche Strassenzugang bevor der Fluss in die totale Wildnis übergeht. Und wie erwartet fällt das Weiterpaddeln schon nach kurzer Zeit wesentlich leichter.

Gegen Mitternacht nähert sich unser Dreiergespann aus 2 SUP und einem Solo-Kajak den berüchtigten Five Finger Rapids. Zu Goldgräberzeiten ist dort so mancher Schaufelraddampfer zerschellt. Heute ist diese Stromschnelle Wildwasser Stufe 2, bei Hochwasser maximal Stufe 3. Doch dieses Jahr sind diese Stromschnellen eher ernüchternd ruhig und es ist sogar möglich diese stehend zu paddeln. 

Ein neuer Tag bricht heran. Sehnlichst erwarte ich die ersten Sonnenstrahlen die zwar sehr früh aber dennoch nur zögerlich hinter den Baumwipfeln hervorkommen. Ein paar Stunden später werde ich mir diese Sonne verwünschen!  – Es herrschen über 25°C, vielleicht sogar 30°C. Die Sonne brennt permanent von links auf Kopf, Schulter und Arme. Alle 30 Minuten tränke ich die Kopfbedeckung im Wasser. Am liebsten würde ich hineinspringen. 

„Ein Grund das Rennen nicht zu machen? – Man verpasst die vielen historischen Sehenswürdigkeiten“

Bei Fort Selkirk, ca. 10 Stunden nach Carmacks entschliesse ich mich noch einmal an Land zu gehen. Denn ich weiss es ist die letzte Gelegenheit um ein komfortables Plumpsklo zu benützen, sich die Beine zu vertreten und Kleider für den Tag zu tauschen sowie Essenspakete umzuladen. Der Ort wäre historisch sehr interessant und ein Bisschen Sightseeing würde sich lohnen. Doch ich bin in einem Rennen und mein nächster Verfolger vermutlich nicht mehr weit zurück.

Und siehe da! kaum zurück auf dem Wasser grüsst der Schwede auf dem SUP freundlich hinter mir.

Wir paddeln ungefähr 3 Stunden zusammen bevor Göran Gustavson so richtig aufdreht und in der Ferne verschwindet. 

Nun paddle ich wieder gemeinsam mit Christoph welcher allmählich die Lust auf sein mitgebrachtes Essen verliert. Bei Thistle Creek gebe ich ihm von meinen Nüssen, Salzbretzeln, Dörrfrüchten und Energieriegeln. Irgendwie habe ich wieder viel zu hoch kalkuliert und kann dies bis Dawson eh nicht essen.

„Wirst du nicht müde?  und wann schläfst du?“

Nach dem Zufluss des White Rivers habe ich plötzlich ein unglaubliches Hoch. Nach stundenlangem Paddeln und nur 5 Stunden Schlaf in Carmacks baut sich eine unfassbare Energie auf. Plötzlich fliege ich nur noch über den Fluss Ich überhole Solo-Kajaker und sogar 4er Kanus lasse ich hinter mir. Fast 50km, ca. 3.5h lang ziehe ich das durch. Meinen Mitpaddler mit dem ich seit Ende des Lake Large gepaddelt bin, lasse ich nun zurück.

„Geniesse die letzten Stunden auf dem Fluss, denn du hast es verdient.“

Endlich überquere ich die Ziellinie. 4 Uhr Morgens, es ist hell wie am Tag. Ok, Fertig!… Das wars? – Freudenschreie bleiben bei den meisten aus wenn man so ein Ziel endlich erreicht. Obwohl sicher jeder froh ist dass es fertig ist, scheint das Erreichen des Ziels im ersten Moment irgendwie unwirklich. Deshalb rate ich jedem: geniesse auf den letzten Kilometern noch einmal den Fluss und die Natur.

„Was machst du die ganze Zeit auf dem SUP?“  

Zurück zu dieser Frage muss ich antworten: „Ich weiss es nicht mehr so genau“. Karten lesen, Fluss lesen, mathematische Spielereien mit Zeiten und Kilometern, mit Paddlern reden, Tiere suchen und beobachten, über das Leben nachdenken. Aber eines weiss ich, diese wunderschöne Zeit ging viel zu schnell vorbei.