Robby Naish Interview

Aus dem Stand Up Magazin #16

Nach knapp zehn Jahren Stand Up Magazin war es höchste Zeit, endlich mal mit Robby zusammenzusitzen und zu hören, was er denkt und warum er ein so inniges Verhältnis zu Deutschland zu haben scheint. Wahrscheinlich kennt keiner die Wassersportbranche besser als er. Er hat so viele neue Trends in dieser Branche gesehen und auch selber gesetzt. Was weiß dieser Mann, was sind seine Erfahrungen und wie reflektiert er all das auf den SUP Sport und die Zukunft? Mir fallen schon auf der Hinfahrt tausend Fragen ein. Ich will endlich mal jemanden fragen, warum die Windsurfbranche zu Grunde gegangen ist und ob es Parallelen zu SUP gibt. Immerhin sind ja die Robby empfängt mich in seinem Haus unweit von den Naish Büros. Robby kam eben vom Containerhafen und hat sein „Über-Pickup“ stapelweise mit Boards gefüllt. Da liegt Windsurfgeschichte der letzten 40 Jahre vor mir. Robby sagt, er hätte die Ware aus Oahu herholen müssen wegen der Scheidung. Er ist da ganz offen, auch wenn ich gar nicht danach gefragt habe. Wir verwickeln uns schon im Gespräch, bevor wir überhaupt ins Haus gehen. Eigentlich wollte ich das Interview etwas aufbauen, aber wir sind schon knietief im Thema und darum schalte ich das Mikro ein, bevor es zu spät ist.

Sag mal Robby, die Leute haben SUP immer als das nächste Windsurfen propagiert. Ich muss aber in aller Bescheidenheit sagen, dass mir das nach knapp zehn Jahren im Geschäft nicht so vorkommt.

Also für mich ist es das. Windsurfen war auch am Anfang, als alles noch relativ einfach war, immer noch recht schwer zu erlernen. Man musste sich schon damit befassen und einen Kurs nehmen. SUP ist viel zugänglicher als Windsurfen oder Kiten. Bei SUP kann man sich einfach draufstellen und los fahren.

Man hat dann sofort ein Gefühl vom Boardriding. Es eliminiert nicht sofort 90% der Leute, weil es zu schwierig ist so wie beim Windsurfen. Speziell heutzutage, aber auch damals in den Boomzeiten, da musste man sich dem Sport schon fast verpflichten, wenn man zu etwas kommen wollte. Am Ufer los segeln und dann auch wieder zur gleichen Stelle zurück kommen, das war nicht einfach. Aber SUP, das kann jeder machen. Es ist gesund, du kommst raus auf das Wasser und du hast sofort ein Erlebnis. Klar, am Anfang war SUP mehr ein Sport, da waren es Leute wie du oder ich, die aus anderen Sportarten kamen und SUP als neue Möglichkeit wahrgenommen haben. Aber als dann der Massenmarkt kam, verlor der Sportaspekt mehr und mehr an Wichtigkeit. Aber auch wenn das manchmal etwas verloren geht, es gibt trotzdem immer noch genug Leute, die SUP als wirklichen Sport betrachten. Also unter dem Aspekt ist SUP größer als Windsurfen, aber es ist einfach etwas anderes.

OK, so interessant! Was passierte mit Windsurfen, als es vom Coresport in den Mainstream kam? Ich meine, Windsurfen war dermaßen cool und core, dass alle mit riesigen Boards auf dem Auto rumfuhren. Aber ein SUP von der gleichen Größe verkauft sich nur, wenn man es aufrollen kann.

Ja das stimmt, die Mentalität war anders. Es war cool, ein 12 Fuß Brett auf dem Autodach zu haben. Damals waren Dachträger aber auch echt viel einfacher als heutzutage. Es gab einen Träger, der auf alle Autos passte. Ein Teil ist sicher auch, dass den Leuten die Bequemlichkeit von Inflatables verkauft wird. Aber hey, die Leute kommen aufs Wasser und um nur damit rumzupaddeln, reicht das allemal. Ein Inflatable im Freizeitbereich ist für 95% der Leute absolut gut genug. Inflatables wurden mit der Zeit auch immer besser, also unser neues „Maliko“ SUP ist 95% so schnell und so steif wie ein Hardboard. Dazu reist man mit dem einfach viel einfacher als mit dem gleichen aus Carbon. Die Technologie holt zu den Ansprüchen des Marktes enorm auf. Auch von unserem Standpunkt von der geschäftlichen Seite. Mir wäre es am liebsten, wenn alle internationalen Rennen auf Inflatables gefahren werden. Dann muss ich Casper auch nicht immer ein 14 Fuß Hardboard hinterherschicken. Das dauert immer lange und ist teuer. Mittlerweile geht das nur noch mit Containerfracht und es ist schon recht kostspielig.

Genau, ihr hattet ja die Naish ONE Serie eine Weile lang.

Wir haben die immer noch und ich will die in Zukunft auch wieder stärker pushen.

Deine Worte öffnen in mir eine Welt von Fragen. Gerade wird das Thema von Billigstboards sehr stark diskutiert. Deutschland wird gerade mit Tiefstpreis-Ware geflutet. Einige sehen darin ein Todesurteil für viele und einige sehen aber auch eine Chance darin, denn jetzt kommen

Leute auf das Wasser, die sich sonst nie ein SUP gekauft hätten. Vielleicht sehen wir hier dann eine Konversionsrate von Leuten, die dabeibleiben und sich dann ein „richtiges“ Brett kaufen. Du warst ja gerade an deinem Händlermeeting. Was wird da diskutiert? Ist es eine Chance oder ist es ein Todesurteil?

Nun ja, etwas von beidem. Viele Händler, die SUP verkaufen, verkaufen keine SUPs an die breite Masse, weil sie mit solchen Preisen einfach nicht konkurrieren können. Die wollen keine Boards für 399,- EUR verkaufen und daran nur 40,- EUR verdienen.

Ich sehe uns eher auf der „Coreseite“ des Geschäftes und mit meiner Vertriebsstruktur, bei der ich mit Distributoren arbeite, da kann man mit solchen Margen erst gar nicht arbeiten. Auch wenn wir die Boards ohne Profite direkt durchreichen würden, wären wir immer noch teurer als die Billigboards. Wir haben uns damit abgefunden, nicht mehr die einzigen zu sein und richten uns dementsprechend auf die neue Situation ein. Aber es gibt immer noch eine Nachfrage nach guten Produkten. Ich denke, es wird einige Leute geben, die beim SUP bleiben werden und sich dann ein zweites, richtiges Brett kaufen werden. Das sind meine Kunden. Wir verkaufen fast keine Bretter mehr an Erstkunden. Ich meine, am Anfang da kamen die Leute mit der Kreditkarte und haben mal kurz ein Brett für 2.000,- EUR gekauft, auch wenn sie noch nie auf dem Wasser gestanden haben. Jetzt kommen die Leute über den Gebrauchtmarkt oder den Kaufhof zum SUP Sport. Wir kommen dann als zweites oder drittes. Das ist die neue Realität.

Du hast von iSUP und internationalen Rennen gesprochen. Ich dachte sofort an die SUP Saga um die Olympiaden. Du hast Windsurfen miterlebt, als es olympisch wurde. Was hat das dem Sport und der Branche gebracht? Im SUP müssten dann ja alle auch irgendwie auf den gleichen Boards fahren.

Also in SUP könnte man das als eine One Design Klasse machen oder eine „Measurement“ Klasse. Wie im Segeln zum Beispiel, wo die Boote einfach nach Spezifikationen gebaut werden und nicht aus einer Fabrik kommen. Ich glaube, auch für SUP wäre das das Beste. Rein vom Logistischen her würden Inflatables am meisten Sinn machen. Beim Windsurfen war es immer so, dass ein Hersteller sich um die Olympiaden bewirbt und dann alle Boards herstellt. Erst war es der „Windglider“, dann der „Lechner“, danach „Mistral“ und jetzt seit einigen Jahren der „RS:X“. Aber das Problem mit den Olympiaden war immer, dass es sofort das Todesurteil für die jeweilige Klasse war.

Genau das ist es, worüber ich mich wundere: Was haben die Olympiaden dem Sport und den Athleten gebracht, dem Image des Sportes und so weiter?

Nichts, absolut gar nichts. Für einige Länder vielleicht. Athleten von Hong Kong oder Neuseeland. In dessen Binnenmarkt kann es schon sein, dass es etwas gebracht hat. Aber im Großen und Ganzen hat es nichts gebracht, niemand ging und kaufte sich ein „RS:X“, nur weil es in den Olympiaden war. Es ist ein ganz schlechtes Board und der einzige Grund, warum du jemals damit auf das Wasser gehst ist, weil du für die Olympiaden trainierst. SUP könnte da schon etwas anders sein. Also wenn Kai oder Casper so schnell wie es geht auf einem See einen Kilometer paddeln und dann einer kommt, der gerade angefangen hat: Wie viel schneller sind die? Nicht sehr viel. Ist ja nicht wie bei der Formel 1 oder so. SUP ist einfach viel zugänglicher als andere Sportarten. Darum glaube ich, egal welche Organisation den Sport dahin bringt und egal, was für ein Rennformat gewählt wird, es wird gut sein für den Leistungs-SUPSport.

40 Jahre Windsurfgeschichte

Also eigentlich hätte das ja kein Windsurf- Interview werden sollen, aber ich sehe hier so viele Parallelen. Gerade auch, weil hier die gleichen Marken am Werk sind. Ich nenne sie jetzt mal die „Großen Drei“: Starboard, Fanatic und Naish. Also ihr drei seid die treibende Kraft hinter SUP, sag ich jetzt mal. Auch im Windsurfen sehe ich das so. Nun hatte Windsurfing seinen Boom und dann passierte irgendwas und Windsurfen ist beinahe ausgestorben. Viele Leute sagen, das hätte damit zu tun, dass ihr, also die großen Marken, immer sehr früh im Vorjahr mit dem neuen Material für das nächste Jahr auffahrt. Da kommt doch keiner mehr nach und wer kauft sich schon jedes Jahr ein neues SUP oder habe ich hier etwas verpasst?

Also als erstes haben wir ganz klar ein Überangebot. Es ist einfach zu einfach geworden, ein Brett herzustellen. Also gerade die großen Marken haben schon immer versucht, mehr zu verkaufen als an Nachfrage eigentlich da war. Das größere Problem mit Windsurfen war, dass es sich weg vom Normalverbraucher entwickelt hat. Als Windsurfen noch ein 12 Fuß Brett war mit einem Dreieckssegel, konnte jeder bei jeden Wind auf den See gehen und Spaß haben.

Also wie beim Inflatable.

Genau. Damals war Windsurfing am größten. Dann wurden immer mehr neue Versionen entwickelt und Windsurfen wurde immer spezieller. Viel geht auf die Hersteller zurück, aber auch viel auf die Windsurf Magazine von damals. Ganz nach dem Motto: „Wenn du nicht auf einem Sinker windsurfen kannst, dann solltest du es auch lieber lassen.“ Wenn du nicht mit einem 80 Liter Brett am Strand auftauchst, dann bist du ein „Kook“. So wurde das Material immer exklusiver und bediente nur noch eine Nische. Bis zu dem Punkt, wo man sehr begabt sein musste und man bestimmte Bedingungen brauchte, um das Material überhaupt benutzen zu können. Im Ernst, an wie vielen Tagen kannst du ein 80 Liter Board auf dem Chiemsee fahren?

Genau, nicht an sehr vielen. Mit einem 12 Fuss Board und Dreiecksegel jeden Tag. So wurde Windsurfen ein „Destinationssport“, wo man an bestimmte Orte fahren muss, um mit dem Material überhaupt segeln zu können. Die Leute hatten gar keine Boards mehr, womit man am Wochenende mit der Familie an den See fahren konnte. Das war der Todesstoß.

Da sehe ich aber schon viele Parallelen zum SUP Sport. SUP Surfen zum Beispiel. Keiner will doch auf einem SUP stehen, wo man bis zu den Knien im Wasser steht. Also für mich ist das kein SUP mehr, dann kann ich ja genau so gut mit dem Shortboard raus gehen.

Ganz genau und du musst noch an den gleichen Spots raus wie die Shortboarder. Ich war gestern am Anfängerspot draußen. Ich war auf einem SUP Longboard und hatte sehr viel Spaß. Hier haben wir genau das wieder, der Sport wird in eine Schublade gedrückt, wo es nur noch um Performance geht. Ich sage den Leuten die ganze Zeit: Nimm dir das Material, welches für dich am besten geeignet ist. Lasst euch nicht in diesen Leistungskonkurrenzkampf hineinziehen. Das gleiche sehe ich gerade mit unserem Wingsurfer. Da sagen alle schon wir sollen fünf Größen machen und verschiedene Versionen. Ich sage nein, lass uns das so unkompliziert wie nur möglich halten. Sonst haben wir damit keine Chance, wir spezialisieren uns ins Absurde und verscheuchen so alle Leute. Ich liebe SUP immer noch aus dem gleichen Grund

wie früher: Ich gehe aufs Wasser bei Bedingungen, unter denen ich sonst nicht gehen würde. Aber sicher, wenn es doppel überkopf ist, dann gehe ich mit einem kleineren Brett raus.

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