Sie nannten es Beach Boy Surfing, ein überdimensioniertes Longboard mit dem die Rettungsschwimmer vor Hawaii den Badebereich entlang paddelten, um die Schwimmer beim Baden zu bewachen. Und da es nun mal ein Surfboard war, wurde bei diesem Vorgang ab und zu auch mal eine kleine Welle gesurft. Als Laird Hamilton, Dave Kalama und Co. den Sport dann Jahrzehnte später aus der Kiste kramten und es weiter entwickelten, kam etwas Großes ins Rollen und genau das war es, was mich dazu gebracht hat, diesen Sport auszuüben. Sie zeigten, was man mit diesen Dingern alles anstellen konnte, kleine Wellen als auch große Wellen surfen oder einfach nur lange Touren über glattes Wasser paddeln. Sie paddelten mit Rückenwind, um die Dünung vor der Küste abzusurfen; sie gingen damit auf Flüsse, um auf stehenden Wellen zu surfen oder sie maßen sich in kleinen Rennen um ein paar Bojen. Und am Anfang taten sie das alles auf ein und demselben großen Board mittels eines Paddels. Egal was sie taten, ob sie Wellen ritten oder nicht, sie hatten eines im Kopf: Surfen – und nichts anderes.
Und genauso haben wir begonnen: Wir kauften uns SUPs und fühlten uns wie Hamilton und Co. Wir surften noch so kleine Wellen auf der Ostsee oder die Heckwellen von Schiffen, fuhren nach Rostock, um die Dampferwellen der Ostsee Fähren zu reiten. Wir versuchten (wo auch immer), die kleinste Bewegung im Wasser aufzugreifen, um uns damit fortzubewegen und wenn wir dieses nicht fanden, dann machten wir einfach lange Touren entlang der Küsten oder auf Gewässern im Inland. Und jedes Mal, wenn wir von unseren Ausflügen zurück kamen, kamen wir vom „Surfen“, ob mit oder ohne Wellen. Ich erinnere mich an einen Ausflug auf der Alster in Hamburg, ein Ausflugsdampfer schob eine Heckwelle hinter sich her, die dann gegen eine Mauer klatschte und als brechende Welle auf mich zurollte. Schnell geschaltet, das Board gedreht, ein paar Paddelschläge und die Welle schob mich circa 10 Meter vor sich her … für mich fühlte es sich an wie eine Ewigkeit, ein Wellenritt mitten in Hamburg.
Das ist noch gar nicht so lange her – 10 Jahre, um genau zu sein. Während Firmen wie Starboard und Naish schon früh an das Potential des SUPs glaubten, beobachteten ihre Mitbewerber die Entwicklung des Sports noch mit Skepsis. Doch die Tatsache, dass diese Firmen, welche zum Großteil aus dem Windsurfen entstanden sind, eventuell einen großen Trend verpassen könnten, einen Boom, den es seid der Erfindung des Windsurfens nicht mehr gegeben hat und sogar das Kitesurfen in den Schatten stellen würde, führte dazu, dass in Kürze fast alle eine kleine SUP Palette im Programm hatten. Wozu oder wofür auch immer, aber man wollte was vom Kuchen abhaben, egal wie groß er ist und werden würde. Und so nahm auch die Entwicklung des Equipments seinen Lauf, wie es im Vorfeld schon beim Wind- und Kitesurfen vorgemacht wurde. Hunderte von verschiedenen Boards in allen erdenklichen Formen und Farben, jedes Board dann noch in zig Bauweisen, aus Materialien, die aus der Raumfahrt stammen: besonders leicht, besonders robust, besonders nachhaltig – was auch immer.
Doch damit nicht genug. Das SUP hatte ein Problem: Es war zu groß, zu sperrig. Wie transportieren, wie lagern? Fragen, die man sich früher zu Zeiten des Windsurf Booms nicht gestellt hatte. Was cool war, wurde gemacht, egal wie unpraktisch es erschien und so hat man die sperrigen Windsurfboards zum Beispiel auf noch so kleine Autos gepackt und zur Not auch in den fünften Stock gewuchtet. Doch das geht heute nicht mehr. Dinge müssen nicht cool, sondern praktisch und perfekt auf den Nutzen zugeschnitten sein. Die Lösung nahte, das iSUP wurden erfunden. Von nun an gab es keine Ausreden mehr, jeder konnte nun ein SUP besitzen, es lagern, es transportieren und der SUP Boom kam endlich richtig ins Rollen. Wie hungrige Wölfe entwickelt die Industrie nun aufblasbare SUP Boards in noch mehr Formen, in noch mehr verschiedenen Bauweisen, ultra Leicht, ultra Robust, super schnell, super kippstabil, super alles.
Es gibt die praktischsten Pumpen, die tollsten Taschen und Paddel, die man in viele Einzelteile zerlegen kann. Und so paddelt das Volk nun vor sich hin, auf Seen, an den Küsten, in Schwimmbädern etc. Man kann SUPs im Sportgeschäft, in Baumärkten, Supermärkten, beim Geschenkideen- Versender, einfach überall kaufen. Alle zum Aufblasen, im Rucksack, einfach, praktisch, gut. Die Tatsache, dass ein aufblasbares Board in seiner Funktionalität dem festen Board unterlegen ist, spielt keine Rolle – es ist praktisch. Doch ist es das Praktische, was die Leute dazu bringt, etwas gut und spannend zu finden? Oder ist das Praktische eher ein Mittel zum Zweck den Konsumenten zu überlisten und ihn dazu zu bringen, sich etwas anzuschaffen, von dem er noch nicht mal weiß, wofür es eigentlich gedacht ist? Spielt auch keine Rolle, erstmal wird produziert, verkauft und die Kassen gefüllt, was danach kommt, wird später besprochen. Wir konsumieren und wenn es nicht mehr gefällt, suchen wir uns eben etwas Neues. Und so gehen manche Trends oftmals schneller, als sie gekommen sind. Denn man fragt sich erst später, wozu das überhaupt gut ist und ob man es wirklich braucht.
Im Stand Up Paddeling ist das Wort „Surfen“ völlig untergegangen, völlig überschattet vom „für jedermann, für alles, für überall, praktisch, einfach, gut“. Doch ist es nicht das Gefühl, was man beim Ausüben einer Sportart hat, die Vision, die einen dazu motiviert, einen Sport wie das SUP zu machen? Klar, viele wollen einfach nur Paddeln, nicht surfen. Nicht jeder möchte die kleinste Bewegung des Wassers dazu nutzen, um daraus Vortrieb zu generieren, muss man auch
nicht. Aber jeder Sport hat seine Wurzeln, seine Entstehung, seine Geschichte halt und dies führt dazu, dass Dinge lange in unserer Gesellschaft
verankert sind. Und so scheint es mir, dass die Industrie kein Interesse daran hat, etwas Langfristiges zu kreieren, sondern eher schnell den nötigen Umsatz zu machen und so hat sie dies mit der Erfindung des iSUPS nun auch geschafft: Die Funktionalität erdrückt die ursprüngliche Vision.
Für mich war Surfen immer ein Lebensgefühl, ein Gefühl von Freiheit, Abenteuer, viel mehr Spaß als Sport. Wir laden unsere Boards aufs Dach, fahren an den Strand oder an den See und gehen surfen. Das SUP hat es uns ermöglicht, noch mehr Zeit auf dem Wasser zu verbringen, noch mehr surfen zu gehen, mit oder ohne Wellen. Es hat die Tür geöffnet für Leute, die das Surfen vorher nicht kannten, näher an das
Erlebnis gebracht, vielleicht doch mal eine kleine Wellen zu reiten, mit dem Wind im Rücken den Vortrieb einer kleinen Woge zu spüren, wie sie
einen anschiebt. Die Begeisterung, die man mit zurückbringt, wenn man wieder an Land geht, mit Freunden ein Bier trinkt, draußen in der Natur ist. Und so darf die Industrie, als auch wir, die diesen Sport ausüben und die, die neu dazu kommen, nicht vergessen, wo dieser Sport herkommt, denn das ist nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft des SUPs.
Ich war diesen Sommer am Strand und traf eine Frau, die sich auch für SUP interessiert. Wir kamen ins Gespräch. Sie fragte mich, warum ich denn nicht das Board mit Luft aufpumpe und ich erklärte ihr, dass dies bei diesem Board nicht geht, mein Board jedoch die Ursprungsform eines SUPs ist. Sie ging davon aus, dass ein SUP immer zum Aufpumpen sei. Wir hatten leichten Ostwind, das Wasser war unruhig, mit etwas Fantasie könnte man sogar von Wellen sprechen, aber mehr als 30 cm werden es wohl nicht gewesen sein. Die Dame fragte, ob das Wasser nicht viel zu unruhig sei zum Paddeln und ich sagte ihr, dass dies der Grund ist, warum ich jetzt raus gehe und dass ich versuchen werde, diese kleinen Wellen zu surfen. Sie schaute mich verwundert an und fragte: „Und das geht? Ich dachte, damit paddelt man nur!?“ Ich erklärte ihr, dass SUP vom Surfen kommt, Beach Boy surfen, Waikiki, dann kamen Laird und Co., die Geschichte. Sie schaute mich verwundert an, lächelte und sagte: „Das habe ich nicht gewusst, interessant.“
Am Ende des Tages bin ich mehr gepaddelt als Wellen geritten, aber darum ging es auch nicht, ich war auf dem Wasser, ich war surfen …