🎙️ ANDY WIRZ – ÜBER TRENDS, TALSOHLEN UND DAS FUNDAMENT DES WASSERSPORTS 🎙️

Wer im deutschsprachigen Raum über Surfkultur, SUP und Foiling spricht, kommt an Andy Wirtz nicht vorbei. Mit seiner Marke Norden Surfboards prägt er seit vielen Jahren die Szene – nicht nur als Unternehmer, sondern auch als leidenschaftlicher Wassersportler, Kolumnist und kritischer Beobachter der Branche. Wir haben mit Andy telefoniert – ein Gespräch, das auch gut als Podcast getaugt hätte – und uns anschließend nochmals Zeit genommen, um die wichtigsten Gedanken schwarz auf weiß festzuhalten.
Herausgekommen ist ein ehrliches Interview ĂĽber die Entwicklungen im Wassersportmarkt, das emotionale Auf und Ab der letzten Jahre und die Frage, warum Surfen fĂĽr Andy immer der Kern von allem bleibt.
Aloha Andy, vielen Dank für Deine Zeit. Unsere Stammleser kennen deine Marke Norden und haben sich immer über deine Kolumnen im Printmagazin gefreut. Du gehörst zum Deutschen Urgestein im Surfen, Stand Up Paddling und Foiling. Es gibt keinen Trend den du nicht mitgemacht hast.
Wir hatten vor kurzem ein Telefonat und das alleine hätte schon einen Podcast gegeben. Es gibt grad viele Probleme in unsere Branche aber auch viel positives.
Sag mal woher nimmst du die Energie mit Norden jeden Trend aktiv mitzumachen, Talsohlen zu durchschreiten um dann wieder oben anzukommen?
Am Anfang treibt mich die Neugierde, neue Surfsportarten zu entdecken, Möglichkeiten zu finden um mit unterschiedlichstem Equipment Wellen zu reiten. Der Gedanke dies Geschäftlich zu nutzen kommt erst danach und das ist auch gut so. Was mich persönlich nicht begeistert, kann ich auch nicht verkaufen. Das Geschäftliche ist so zu sagen die Talsohle, „ We are selling the dream but working in depression“, beschreibt die derzeitige Stimmung in unserer Branche wohl am besten. Aber da ich Surfer mit Leib und Seele bin, kehre ich immer wieder an den Ort des Ursprungs zurück, an den Strand, und entdecke immer neu, warum ich das alles mache, und dann komme ich wieder oben an.
Du hast mir am Telefon gesagt, du gehst oft SUP Surfen und hast irre Spass.

Ich gehe immer noch gerne und so oft es geht in der Welle SUPen, es ist die einfachste und effektivste Art Wellen zu bekommen, auch in marginalen Bedingungen. Viele haben das vergessen und versuchen sich nun am Wellenreiten.
Es scheint aber auch, das viele Leute vermehrt deine Mini Malibus kaufen und dann doch lieber Stunden lang im Wasser sitzen anstatt mit dem SUP eine Welle nach der anderen zu surfen. Ist da eine Trendwende im Gange? Will jeder einfach nur cool sein und ein Surfbrett rumtragen?
Surfen (Wellenreiten) hat einen großen Vorteil gegenüber anderen Wassersportarten, es verkörpert einen Lifestyle, den auch die Industrie außerhalb der Surfbranche erkannt hat und daher immer wieder aufgreift, um ihren Produkten ein positives Image, jung, voller Energie, Abenteuer etc. zu verpassen. Ein Image mit dem jeder gerne schmückt. Das haben Sportarten wie Windsurfen, Kitesurfen, SUP etc. nie geschafft, sie waren zwar kurzzeitig Trendig aber nie so wie das pure surfen. Daher ja, das Lebensgefühl was eine Sache vermittelt ist erstmal das wichtigste, danach die Performance auf dem Wasser. Da liegt auch der Fehler in unserer Branche, man stellt die Hardware in den Vordergrund und nicht das Lebensgefühl.

Apropos Trendwende, auch in den SUP Rennen sehen wir ganz klar wie der einstige Surfsport zum Kanusport wird. Es hat zwar gut 15 Jahre gedauert aber jetzt sind wir hier. Was sind deine Gedanken dazu?
Das SUP Racen hat sich so weit vom Ursprung der SUPen entfernt, dass es schon einen neuen Namen verdient hat. Es ist ein purer Leistungssport geworden. Wenn du nicht hart trainierst, an Wettkämpfen teilnimmst oder dich zumindest mit anderen misst, gibt es keinen anderen Grund es zu tun, es bleibt keine Zeit die Natur und das Wasser zu genießen.
Es wäre heuchlerisch nicht über die Probleme in unserer Branche zu sprechen. Die Absatzprobleme sind „for real“. Wir hatten aber vor kurzem einen Artikel wo wir darüber berichteten, dass Boards and More ein neues Fanatic iSUP auf den Markt bringt.
Verpassen wir das grad was oder produzieren die am Markt vorbei? Wie siehst du das?
„Wenn du nicht was Neues bringst, wirst du die Reste aus vergangen Jahren nicht los.“
Das erklärt wohl diese Situation. Einige Firmen planen den Ausstieg aus dem SUP Sport aber sitzen immer noch auf Bergen von Ware die sie verkaufen müssen. Erst wenn das alles passiert ist, werden wir sehen wer bleibt und wer geht.  Die Kunden interessieren sich für was Neues um dann am Ende auf ein Sonderangebot zurück zu greifen.
Wo wir schon bei Markt sind, du bist in Kiel zuhause, dem Kalifornien Deutschlands. Man hört wie viele Leute am Wingfoilen sind bei dir, trotzdem fallen die Preise und die Lager sind voll. Was hörst du da in der Szene?

Kiel ist eine kleine Stadt voller Wassersportler, eine coole Szene, Wingfoilen ist ein Geschenk für diese Gegend, es gibt viele Spots und gute Bedingungen fürs Wingfoilen hat man mehrmals die Woche, öfter als für all die anderen Wassersportarten.
Egal wie die Wellen sind, Andy hat immer Spass.
Man trifft wieder viele Leute, die Jahre lang nichts gemacht haben und jetzt mit dem Wingfoilen anfangen, weil es sich in unserer Gegend einfach anbietet. Zudem sind viele Firmen und Mitarbeiter aus der Branche hier ansässig und bringen viele Leute mit ins Boot, sprich mit aufs Wasser.
Im Foil-Business kann man sich derzeit fragen „wieviel Verlust kannst du dir leisten und nicht wieviel Profit kannst du damit machen“! Der Sport entwickelt sich rasant vorwärts und so wird auch produziert, es kommt mehr Ware auf dem Markt als nach hinten heraus abfließen kann. Die Preise sind so im Keller, dass bei den Sonderangeboten, der Kunde profitiert und der Verkäufer massiv draufzahlt. Keiner kauft was aktuelles zum Listenpreis, das neuste Material geht an Shop Mitarbeiter und Teamfahrer und landet am Ende im Gebrauchtmarkt oder in Auslaufangeboten.

Es gibt so viele Marken, Produktlinien, Bauweisen etc. das man vor lauter Wald die Bäume nicht mehr sieht.
Wir haben das alles schon beim Windsurfen, Kitesurfen, SUPen etc. erlebt. Die Industrie läuft dem Mainstream mit ihrem Hightech davon und wundert sich am Ende, das keiner mehr dazu kommt.
Meine Devise wäre eher, „slow down“ und kümmert euch den Sport zu vermarkten, gutes Anfängermaterial zu fairen Preisen zu entwickeln, denn das gibt es immer noch nicht. Wingfoilen ist immer noch zu schwer zu erlernen, dass die breite Maße daran teilnehmen kann. Stattdessen wird immer weiter High Tech Equipment gebaut, damit die Profis auf Instagram gut aussehen.
Was ich aber interessant fand, ist das am California Wingfoil Masters auf Sylt wohl tausende von Zuschauern dabei waren. Zahlen wovon wir beim SUP nur träumen können. Waren das alles einfach nur Feriengäste? Wie siehst du das?
Da hast du leider ein falsches Bild, 95% der Leute kommen zum Feiern und Konsumieren, die haben nichts mit Surfen zu tun und werden es auch nie haben. Sylt hat das Talent Geld zu machen mit allem rund ums surfen aber nicht mit dem Surfen an sich. Sylt ist eine Insel, es ist teuer dort hin zu kommen, mal ab gesehen von den Kosten fĂĽr Unterkunft, Verpflegung und den schlechten Bedingungen auf dem Wasser, der Wind meistens Onshore und der Shorebreak bricht auf trockenen Sand.
Generell, was denkst du wo unsere Reise hin geht? Wir sitzen ja alle im gleichen Boot, du als Marke ich als Medium.
Ich denke wir befinden uns in einem demographischen Wandel, die aktive Wassersport Bevölkerung wird immer Älter und die jungen Leute wollen kurze, schnelle Erlebnisse und dann weiterziehen, da hat keiner Lust, viel Zeit und Geld in eine Sportart zu investieren, die er erst in paar Jahren auf einem Niveau beherrscht wo es spannend wird. Ich denke der Markt wird sich massiv verkleinern und in viele kleine Randsportarten auf splitten, die immer wieder die gleichen Leute beliefern, die auch vorher schon auf dem Wasser waren, deren Familien und ihr persönliches Umfeld.
Aber man darf sich auch nicht an dem Thema „Krise in der Branche“ festbeißen, die Leute die nicht dort arbeiten, interessiert das nicht, die wollen aufs Wasser, die wollen Spaß haben. Daher ist es gut, dass man sich dazu gesellt und das gleiche tut.
Welche Produkte von dir sind die die am besten laufen und dir durch die schwierige Zeit helfen werden?

Das Surfen ist immer noch die Nummer eins bei norden, es ist bezahlbar und jeder möchte gerne dabei sein, auch wenn er keine Wellen vor der Haustüre hat.
Das Surfen (Wellenreiten) sind die Wurzeln und das Fundament von norden-surfboards, damit hat alles angefangen, alles andere kam dazu um mehr Möglichkeiten zu finden, auch an Orten wo keine richtigen Wellen laufen, in einer anderen Form surfen zu gehen. Ich denke das wird immer so bleiben. Ob SUP wieder zurückkommt, ob man mit Foilen jemals Geld verdienen kann oder beim Kiten weniger die Höhe des Sprungs, sondern der Spray beim Cut Back auf der Welle zählt, werden wir sehen. Surfen wird immer das Fundament von norden sein, egal in welcher Form, alles für die Welle und eine Welle für Alle, egal wie die Bedingungen und die Könnenstufe.
Bei welchen Produkten siehst du noch Wachstumschancen?
Ich sehe derzeit kein Wachstum in Bereichen, die ihren Boom schon erlebt haben. Foilen steht noch am Anfang, daher wird es logischerweise auch Wachstum geben aber auch dort ist der Peak schon bald erreicht. Man sollte sich eher Gedanken machen, wie man es schafft, den Surf Sport mit all seinen Fassetten zu erhalten, statt sich Gedanken ĂĽber Wachstum zu machen.
Downwind Foiling kommt erst gerade an in Deutschland. Wie schätzt du da die Lage ein?
Kiel ist immer weit vorne was Wassersport angeht und hier gibt es derzeit circa 20-30 Leute die es regelmäßig machen und auch beherrschen. Ich denke es muss noch deutlich einfacher zu erlernen sein, damit mehr Leute daran Interesse haben werden, noch ist es für Experten reserviert. Aber ich arbeite schon an Boards, die den Einstieg etwas einfacher machen. Wingfoilen ist wesentlich einfacher und hat daher auch deutlich mehr Potential.
Und dein Schlusswort?
Ich kann mich an ein Zitat von Robby Naish anschließen, der mal gesagt hat, „It doesn´t have to be the biggest Sport to be fun“. Es macht nur Sinn in dieser Branche zu arbeiten, wenn man selber noch Spaß am Surfen hat, einen anderen Sinnvollen Grund gibt es dafür nicht.
Sehr weise gesagt, vielen Dank fĂĽr deine Zeit.

Unser Buyersguide zu den SUP Boards von Norden.

Unser Buyersguide zu den Foil Boards von Norden.