Eine außergewöhnliche Laufbahn die Geschichte von Kathy Rüsbüldt

von Daniel Kern

Paddeln ist für Jedermann: Eine außergewöhnliche Laufbahn voller vielfältiger Erfahrungen und respektvollen Leistungen – das ist die Geschichte von Kathy Rüsbüldt aka @sup_amp_girl

Im Jahr 1975 geboren, absolvierte sie in den 90er Jahren eine Ausbildung zur Mediengestalterin. Eine passionierte Reiterin mit mehreren Turniererfolgen. Radfahren für die Fitness, Inlinern im Sommer, Schlittschuhlaufen im Winter, schwimmen das ganze Jahr. 2015 stand sie zum ersten Mal auf einem SUP-Board und legte 4 Jahre später erfolgreich die Prüfung zur SUP-Instruktorin ab.

Seit über 4 Jahren ist sie Teamfahrerin bei Starboard und lässt ihrer Leidenschaft für das SUPen freien Lauf. Höhepunkte ihrer sportlichen Karriere waren bisher 2019 Deutsche Meisterin in der Langstreckendisziplin, 3x Teilnehmerin bei der Midsummer Viking Challenge in Kopenhagen und 2022 SUP11Sights in Berlin mit über 160km an 5 Tagen. Seit dem Sommer 2022 ist sie Mitglied der Deutschen Nationalmannschaft im Para Surfen. Eine Information, die vielleicht nicht ganz außer Acht gelassen werden sollte: Im Alter von vier Jahren war sie in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem ihr rechtes Bein amputiert werden musste. Sie betrachtet sich selbst als normal (was ist schon normal und wer definiert normal?) und sagt selbst „ich hab zwei Beine – eines schöner, als das andere“. Ihre Prothese gibt ihr die Freiheit die sie braucht, um all das zu tun worauf sie Lust hat. Mit ihrer selbstbewussten und fröhlichen Art ist Kathy ein inspirierendes Beispiel dafür, wie man mit Leidenschaft, Entschlossenheit und einer positiven Einstellung große Erfolge erzielen kann. Ihre Geschichte ist eine Erinnerung daran, dass es nicht darauf ankommt, was uns im Leben widerfährt, sondern wie wir darauf reagieren.

Vielen lieben Dank liebe Kathy, für deine Zeit und deine Bereitschaft für dieses Interview. Reden wir nicht lange um den heißen Brei und fangen direkt an.

Wann hast du mit dem SUPen angefangen und wie bist du dazu gekommen?

Erst 2015 bekam ich eine wasserfeste Prothese und entdeckte meine Leidenschaft für den SUP Sport. Bevor ich Mutter wurde (2010) sah ich garkeinen Sinn darin und fühlte mich „unten ohne“ freier im Wasser. Als Tilly dann aber flügge wurde und mit dem Gehen und Rennen bekam eine wasserfeste Prothese auf einmal Sinn. Wassersporttechnisch wollte ich eigentlich mit dem Kiten anfangen, aber mit dem Paddeln funkte es gleich beim ersten Versuch. Schon im Vorfeld machte ich mir Gedanken darüber, worauf ich achten würde, was ich ausprobieren, wenn ich draufstehe wie ich die Balance halte… somit lieh ich mir bei vielen erdenklichen Möglichkeiten Boards aus und übte. Auf Dauer war aber das hin- und her paddeln langweilig geworden und ich wollte mehr. Es gab eine richtige Wettkampszene – genau das wollte ich – mich mit anderen messen! Im Juni 2018 bei den Deutschen Meisterschaften (Flatwater) in Xanten, nahm alles seinen Lauf. Von 8 Startern in meiner Boardklasse wurde ich die Letzte im Sprint, weil ich einen von drei Heats verpasste, 6. von 7. beim Technical Race (350 m mit drei Bojen) und 7. von 8. in der Gesamtwertung. Ganz unbedarft bin ich in die Wettkampfszene eingestiegen. Und startete dann einen Monat später beim World Sup Cup in Scharbeutz. Im Nachhinein betrachtet eine total verrückte Entscheidung, aber mit Sicherheit eine der besten. Am Ende der Saison mit mehreren Wettkämpfen lag ich Ende 2018 in der GSUPA-Liste in der Long-Distance-Disziplin auf Platz 21 von 76 insgesamt. Nicht schlecht, wenn man bei Null angefangen hat.

Was bedeutet dir das Stand up Paddling?

Das ist eine schöne Frage. Ich lieb’s einfach und das mehr als ursprünglich erwartet. Selten hat mich eine Sportart so gefordert wie SUP. Körperlich und mental. Gemütlich oder schnell, entspannen oder auspowern, raus in die Natur, Freunde treffen, Wettkämpfe… Aber es ist auch manches Mal Frustration, wenn ich an die technischen Grenzen meiner Prothese gerate und eben diese mich am Weiterkommen ausbremsen und Abläufe auf dem Brett mehr Zeit in Anspruch nehmen, als ich investieren möchte. Doch in der Tat würde ich mehr Zeit auf dem Wasser verbringen, wenn es andere Verpflichtungen zulassen würden – es könnte nämlich der Eindruck entstehen, dass es außer SUP für mich nichts anderes gibt, aber das stimmt so nicht. Bei mir existiert auch noch ein Leben neben diesem Sport. Abgesehen von meinem Mann, Kind, Pferd und Hund, bin ich, wie viele andere auch, berufstätig.

Warum hast du den SUP Instruktor gemacht?

Ich hatte ein Ziel vor Augen. Und wie heißt es so schön „Man muss brennen, wenn man in anderen ein Feuer entfachen möchte“. Und das wollte ich! Meine Leidenschaft und Begeisterung für den SUP-Sport mit anderen teilen und den Einstieg leichter machen, ich wollte motivieren und bewegen, Amputierten aufs Brett helfen, das mir die Welt bedeutete. Das wollte ich, aber eben keine halben Sachen. Es sollte zertifiziert sein. Denn in Deutschland braucht man gefühlt immer eine Lizenz oder ein Zertifikat. Irgendein Beweis das du auch wirklich kannst, was du da tust. Also bin ich los: Erste-Hilfe-Kurs, Motorboot-Lizenz, Rettungsschwimmer… SUP-Instruktor. Ich hatte es geschafft. Ich mag zwar keine Selbstbeweihräucherung, aber das war einer der Momente die mich stolz machten, da ich nur knapp an der vollen Punktzahl kratzte. Meine Intension also, Prothesenträgern „mit dem Wasser“ auf die Beine zu helfen, zu motivieren und wiederum auch zu ermutigen dieses unglaubliche, kostbare Element Wasser auf diese Weise zu genießen! Ich sprudelte seinerzeit über vor Ideen und wollte alles was ich mir erarbeitet hatte mit Trainern/ Kursleitern, Verbänden teilen, mein Wissen, meine Erfahrungen weitergeben um allen den Einstieg zu erleichtern. Die Ängste und/oder Gedanken, die ein Prothesenträger hat, sind meist andere, als die bei Teilnehmern ohne Handicap. Auch der Ablauf eines Kurses im SUP für Prothesenträger kann intensiver mit etwas verschobenen Schwerpunkten sein. Die Frustrationsgrenze (man fällt häufiger ins Wasser bspw.) ist in manchen Fällen tiefer gesetzt und auch das Schamgefühl (Prothese rutscht, Bewegungen noch nicht so geschmeidig, man braucht viel länger als die anderen die Balance zu finden, etc.) spielen eine große Rolle. Jeder geht anders mit seinem Handicap um, von selbstbewusst bis ich kann das nicht und Misstrauen der Prothese gegenüber. Zu oft wurde mir gesagt „ach was, DIE sind doch schon froh und dankbar, wenn sie mal kurz draufstehen können und gut.“ Also gebe ich Kurse für Nichtbehinderte und ermutige gerade die Älteren mit „wenn ich das kann, schaffst du das auch!“

Woher nimmst du deinen Ehrgeiz und deine Disziplin?

Das kann ich gar nicht so auf die Schnelle beantworten. Ich bin die jüngste von 5 Geschwistern und nach meinem Unfall wurde ich nicht in Watte gepackt. Da wurde einfach gemacht, nicht lange debattiert oder so. Fahrradfahren war mit einem Stützrad, statt zweien und mit anschieben und los ging’s. Eislaufen – Schuhwerk wechseln und los. Ebenso mit Rollschuhen (jetzt wieder trendy!). Familiär gab es so viel Rücksicht wie es für ein Kind von 4 Jahren nötig war. Nicht mehr und nicht weniger. Ich wollte den Großen in nichts nachstehen, also hab ich alles mitgemacht, weil sie mich auch meist überall mit hingenommen haben. Sind die vom 5-Meter-Brett gesprungen, bin ich es auch. Schwamm einer 5 Bahnen, bin ich 6 geschwommen. Der Spruch ist zwar abgegriffen, aber aufgeben ist für mich tatsächlich nie eine Option. Geht mir die Puste aus, kann ich abbrechen. Damit halte ich mir die Möglichkeit offen, etwas ein anderes Mal wieder zu probieren oder fortzuführen. Gebe ich auf, blockiere ich mich mental schon in der Möglichkeit es nochmal zu versuchen. Ich habe immer den Drang mich mit anderen zu messen. Ich will wissen, wo ich stehe, denn nur im direkten Vergleich weiß ich was mehr trainieren muss oder worin ich besser geworden bin. Diszipliniert zu sein bedeutet ein Ziel zu haben und um dieses zu erreichen, benötigt es auch eine Portion Ehrgeiz ohne den es unter Umständen nicht erreicht wird. Und: Der Erfolg, in dem was Du tust, stellt sich ein, wenn Du glücklich bei der Ausführung bist.

Im Übrigen verunsichert es mich, wenn Menschen mir sagen ich sei eine Inspiration für sie. Im ersten Moment fühlt es sich gut an, weicht dann aber dem Gefühl der Frustration. Ich habe gelernt die Anerkennung der SUP-Family anzunehmen und meine Denke mal beiseite geschoben „das man das ja können muss“. Das stimmt nämlich nicht – man muss es wollen. Das ist in der Tat der Virus von dem man in der Szene spricht, wenn der dich packt, bist Du süchtig. Das Verrückte daran ist, dass ich mich immer als Sportlerin wahrgenommen habe und nicht als etwas besonderes. Das ist wahrscheinlich mein Problem mit der „Inspiration“.

Was sind deine sportlichen Ziele für die nächsten Jahre?

Die Teilnahme an der SUP WM und natürlich an der WM im Para Surfen! Ich sehe mich zwar als Adaptive SUP Athletin, aber bei der SUP WM – sind wir mal ehrlich – da wäre ich ein chancenloser Exot. Davon abgesehen gehört da schon mehr dazu, als nur draufstehen und bisschen paddeln zu können ;-). Seit Sommer 2022 bin ich in der Deutschen Nationalmannschaft Para Surfen. Was diesen Sport angeht bin ich noch Anfänger, doch seit dem ersten Trainingscamp bin ich Feuer und Flamme. Das erste Mal Surfen war für eine große Herausforderung. Ganz bewusst OHNE Prothese. Jetzt war ich auf die Hilfe anderer angewiesen. Ich hab versucht soviel Informationen aus der Theorie aufzunehmen wie möglich, um auf dem Wasser Ergebnisse zu liefern… der erste Tag waren zig Waschgänge, die Bedingungen sehr herausfordernd (Gran Canaria), davon ab musste ich ohne Prothese erstmal eine „Mitte“ finden. Am zweiten Tag alles auf Anfang: mein Ziel war wenigstens sauber über die Welle raus ins Line up zu kommen, also habe ich beobachtet und es hat funktioniert. Mehrere Wellen konnte ich surfen und es hat mich echt gepackt! Im Dezember war die WM im Para Surfen in Pismo/Californien. Ich hatte meine Unterlagen für die Anmeldung zwar schon fertig, aber letzten Endes meine Nennung einbehalten. Zum Einen bin ich Anfänger und zum anderen fehlt es mir einfach an finanziellen Mitteln. Es wurde zwar für das ganze Team eine GoFundme-Kampagne gestartet, aber das deckelte nur einen kleinen Betrag für jeden Einzelnen des Teams. Meine Teilnahme an der WM im Para Surfen ist ein Ziel – mit anderen innerhalb Klassifizierungen der Behinderung zu starten, das wäre cool. Bis dahin wird es ein steiniger Weg die finanziellen Mittel oder im besten Fall Sponsoren zu finden die mich auf diesem Pfad begleiten und unterstützen für Deutschland bei der Para Surf WM und weiteren Wettkämpfen (die ausschließlich im Ausland stattfinden) zu starten.

Wie stehst du zum Thema Inklusion – vorallem im SUP Sport?

Inklusion geht uns alle an, weil es normal ist verschieden zu sein. Inklusion ist soviel mehr als ein Projekt und auch nichts worüber man lange debattieren müsste. Einfach mal machen, könnte ja gut werden! Schaut man über den Tellerrand, sehe ich das im Ausland unglaublich viel passiert und getan wird, vor allem im Para Surfen! Da geht richtig die Post ab mit Surfschulen und in Wettkämpfen gibt es ein großes Starterfeld. Von außen betrachtet legen die einfach los und wachsen in ihrem Tun mit jedem weiteren Event.

Irritierenderweise hab ich schon seit Kindertagen Inklusion „betrieben“ und wusste es nichtmal! Der SUP Sport ist ein Parade-Beispiel für Inklusion! Wer weiß das besser als ich bin ich doch selbst ein Teil dieser großartigen Community! Was das „können“ angeht hab ich mich nie in Frage gestellt.

Ich hab mir keine Gedanken darüber gemacht das etwas NICHT funktioniert, sondern einfach angefangen und meinen eigenen Weg gefunden das es eben für mich funktioniert. Mit Selbstverständlichkeit war ich 2018 so frei und hab mich selbst im SUP Sport „inklusioniert“ und hab nicht nachgefragt ob ich mitmachen darf. Ich stehe selten auf dem Treppchen, teile mir die hinteren Plätze mit anderen und werde nicht disqualifiziert, wenn ich bei tricky Bedingungen kniend paddel. Vielleicht hab ich schon ein bisschen den Weg geebnet und irgendwann werden vielleicht bei Race-Veranstaltungen wie selbstverständlich Handicap-Klassen ausgeschrieben. Ob sich dann jemand anmeldet sei dahingestellt, aber: Ich starte weiterhin mit vielen Freunden in ein Long Distance-Rennen und vielleicht wieder beim Sprint oder Tech Race OHNE Beachstart 😉 Ich bin keine Randgruppe – ich bin ein Jedermann und bleibe bei diesem Sport der mir soviel bedeutet. Das ich so darüber sprechen kann, verdanke ich meiner kleinen Familie und STARBOARD Deutschland, denn es gibt Momente im Leben, in denen man jemand braucht, der mehr an dich glaubt als man selbst. Ohne diese Unterstützung wäre ich nicht da wo ich jetzt bin und das erfüllt mich sehr mit Dankbarkeit.

Wenn du dich für eine Superkraft entscheiden dürftest, welche wäre es?

Menschen glücklich zu machen.

Mit welcher Person würdest du gerne für einen Tag dein Leben tauschen?

Mit Zane Schweitzer oder Joshy Bogle – damit ich einen Tag lang alles an Wellen surfen kann was geht!

Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir wünschen?

Ganz klar: eine erfolgreiche SUPerin und Surferin zu werden!

Gibt es einen perfekten Menschen?

Nein zum Glück nicht! Wir haben alle unsere kleinen oder großen Konstruktionsfehler 😉 und das ist auch gut so. Wenn jeder perfekt wäre, gäbe es nichts mehr zu lernen oder weiterzugeben, das Leben wäre langweilig.


Der Author: Daniel Kern

Daniel Kern ist Gründer der Surfrider Foundation Pfalz und organiziert regelmässig “clean-ups”. Er ist als als freier Korrespondent für das Stand Up Magazin tätig.

Auf Socialmedia ist er unter @pfalzpaddler bekannt.