Abenteuerland

Der Protagonist

Nach tagelangem Wandern freuen sich die Füße über eine Abkühlung. © Jozef Kubica

Christo Foerster ist Host eines Podcasts, Buchautor und Redner – all seine Veröffentlichungen sind leidenschaftliche Aufrufe, nach vorne zu gehen und einen Unterschied zu machen. Dazu gehört auch, dass er die Idee des Mikroabenteuers in Deutschland bekannt gemacht hat. „Raus und machen“ ist das Motto, mit dem er motivieren will, kleine Abenteuer vor der Haustür zu erleben.

Christo, wie bist du auf die schräge Idee gekommen, dich mit einem Standup Paddle-board einmal längs durch Deutschland zu schlagen und das Ding über die komplette Strecke selbst zu schleppen? Ich hatte mich schon länger gefragt, ob es wohl möglich wäre, auf Wasserwegen aus eigener Kraft von der Zugspitze nach Sylt zu gelangen. Anfang vergangenen Jahres wurde dann nach echt harten Pandemie-Monaten das Gefühl immer größer, eine längere Zeit raus zu müssen und so etwas wie eine neue Vision zu entwickeln. Aber ich konnte ja nicht in die Ferne reisen und wollte das auch gar nicht unbedingt. Also habe ich mich an die Idee mit der Zugspitze erinnert. Als ich mich näher damit beschäftigte, merkte ich schnell: Das kann ein grandioses Abenteuer werden.

Welche Spielregeln hast du dir selbst auferlegt für dieses Abenteuer? Mir war klar, dass
ich nicht in ein Auto steigen werde. Außerdem wollte ich alles, was ich brauchen würde, selbst transportieren, und zwar von Anfang bis Ende. Das bedeutete auch, dass ich mein Board die Zugspitze herunterschleppen musste und zum Beispiel auf der Ostsee keinen Neoprenanzug hatte, weil er in all den Wochen davor nur Ballast gewesen wäre. Ich wollte jede Nacht unter freiem Himmel verbringen. Am Ende habe ich tatsächlich 53 Nächte am Stück draußen geschlafen, davon 52 in der Hängematte, eine auf einem Stapel Kaffeesäcke am Kochelsee.

Wie viele Kilometer hast du insgesamt zurückgelegt? Insgesamt waren es 1.600
Kilometer, von denen ich etwa zwei Drittel paddeln konnte. Es wäre wahrscheinlich am einfachsten gewesen, schnellstmöglich auf den Rhein zu kommen und sich dann in die Nordsee schieben zu lassen, aber ich hatte eine Route durch den Osten Deutschlands ins Auge gefasst: Über die Loisach, die Isar, ein kleines Stück Donau, den Main-Donau-Kanal, die Saale, die Elbe, dann durch den Elbe-Lübeck-Kanal in die Ostsee und das letzte Stück rüber nach Sylt natürlich auf der Nordsee. Zwischen diesen Wasserwegen bin ich immer wieder zum Teil mehrere Tage gewandert. Und selbstverständlich läuft auf so einer Reise auch nicht alles nach Plan. Ich musste oft spontan Entscheidungen treffen und die Route ändern.

Aber du bist heile auf Sylt angekommen … Ja, Gott sei Dank. Ich musste gerade am Ende allerdings richtig zittern, ob es wirklich hinhaut mit der Überfahrt nach Sylt, weil der erste schwere Herbststurm aufzog und die Strömungen nördlich der Insel sehr tückisch sind. Aber ich hatte eine schöne Motivation: Meine Familie wartete auf Sylt und meine Frau hatte am Tag der geplanten Überfahrt auch noch Geburtstag. Es blieb mir also gar nicht viel anderes übrig, als das Herz in die Hand zu nehmen.

Was hat dich am meisten beeindruckt auf dieser Reise? Die Vielfalt der Landschaften war
unglaublich. Ich bin ja durch alle prägenden Landschaften Deutschlands gekommen und habe sie wirklich intensiv erlebt: die Alpen, die großen Senken, die Mittelgebirge, weite Auen, das Wattenmeer. Ich habe gelernt, wie wichtig das Miteinander ist, was wahrscheinlich erstmal merkwürdig klingt, weil ich ja die meiste Zeit komplett alleine war. Vor allem aber habe ich erkannt, dass ich getrost aufhören kann, nach weisen Antworten auf die großen Fragen zu suchen. Es reicht völlig aus, mit allen Sinnen voll da zu sein, wo ich gerade bin, voll im Moment. Das ist schwierig genug in unserer Zeit, aber auf dieser Reise ist es mir oft gelungen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Du warst sehr auf dich allein gestellt und beschreibst die ruhigen, einsamen Momente als ganz besonders. Dennoch wurdest du ja von einem Filmteam begleitet. Wie passt das zusammen? Uns war von Anfang an wichtig, den Charakter dieses Abenteuers nicht grundlegend zu verändern. Deshalb war das Filmteam um Kai Hattermann sehr klein – teilweise bestand es nur aus ihm selbst – und es war auch nicht die ganze Zeit, sondern nur blockweise dabei. Den Großteil der Reise war ich alleine, in dieser Zeit habe ich mich dann selbst gefilmt. Wir hatten kein Drehbuch und haben keine Szene gestellt. Manchmal habe ich die Kamera selbst an Drehtagen gar nicht gesehen, weil Kai und Co nur aus der Ferne gefilmt haben. Ich glaube, dass uns der Spagat gelungen ist: Einerseits haben wir die Atmosphäre dieses Abenteuers eindrucksvoll eingefangen, andererseits konnte ich wirklich voll da sein und mich dem hingegeben, was entsteht.

Nun bist du vor allem dafür bekannt, die Mikroabenteuer-Bewegung in Deutschland losgetreten und gestaltet zu haben. Warum jetzt so ein Makroabenteuer? Ich habe auf die Frage, was ein Mikroabenteuer ist, schon immer gesagt: Es ist zuallererst ein Abenteuer. Ob eine Unternehmung zu einem Abenteuer wird, hängt von unserer Haltung ab, davon, ob wir bereit sind, neue Wege zu gehen und Ungewissheit zu akzeptieren. Wo wir das tun und über welchen Zeitraum ist gar nicht so entscheidend. Wenn mich das „Abenteuerland”-Projekt aus der Mikroabenteuer-Schublade holt, würde mich das sogar freuen, weil ich einfach kein Freund von Schubladen bin. Klar, diese Reise war ein großes Abenteuer, auch eines mit ganz anderen Aspekten als eine Zweitages-Tour. Aber selbst dafür, für ein solch großes Abenteuer, eine echte Auszeit, musste ich nicht weit weg. Das Motto „Raus und machen”, für das ich seit Jahren stehe, hat definitiv auch dieser Reise seinen Stempel aufgedrückt.

BIO

  • 1998 – 2003 Studium an der Deutschen Sporthochschule Köln (Diplom)
  • 2003 – 2005 Ausbildung zum Redakteur an der Berliner Journalistenschule 2006 – 2012 Redakteur und Sportchef bei der Zeitschrift Fit for Fun
  • 2011 – 2012 Ausbildung zum syst. Coach an der Coachingakademie Hamburg 2013 – 2015 Chefredakteur der Zeitschrift Men’s Fitness
  • seit 2015 Abenteurer, Autor und Speaker
  • 2013 Buch Neo Nature – Endlich gesünder und erfolgreicher leben
  • 2014 Buch Dein bestes Ich – Inspirationen für ein kraftvolles Leben
  • 2018 Buch Mikroabenteuer – Einfach gute Outdoor-Erlebnisse vor der Haustür 2019 Buch Raus und machen – Die große Kraft der kleinen Abenteuer
  • 2021 Buch Mikroabenteuer – Das Jahreszeitenbuch
  • 2022 Buch Abenteuerland – Auf Entdeckungsreise zwischen Zugspitze und Sylt

Die Bücher ab 2018 sind erschienen im HarperCollins Verlag.

www.christofoerster.com