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ICF vs. ISA: Ein Moment zum Nachdenken nach zwei Weltmeisterschaften
Da beide internationalen Verbände die Zuständigkeit fĂĽr den SUP-Sport beanspruchen und ihre Weltmeisterschaften fast hintereinander ausrichten, ist dies ein guter Zeitpunkt, um einen Schritt zurĂĽckzutreten und das Gesamtbild zu betrachten. Es ist ja nicht so, dass wir das nicht schon frĂĽher diskutiert hätten – im Gegenteil, es kommt uns oft so vor, als wĂĽrden wir uns im Kreis drehen. Dennoch bietet diese einzigartige Situation eine wertvolle Gelegenheit, noch einmal darĂĽber nachzudenken, wer diese beiden Verbände sind und was sie eigentlich leisten.
Olympische Hoffnungen
Wir haben die Wachstumsschmerzen miterlebt und viele Artikel geschrieben, als die ICF und die ISA vor dem IOC-Schiedsgericht um den Sport stritten.
Das Urteil war eindeutig: Die ISA hat den SchlĂĽssel zu den Olympischen Spielen.
Das steht fest und wird sich so schnell nicht ändern. Für alle ICF-Hoffnungen gilt also: Ihr müsst eure olympischen Träume über die ICF begraben.
Vor fĂĽnf Jahren wurde das CAS-Urteil verkĂĽndet. Das war ein groĂźer Moment und wir haben damals mit Connor Baxter gesprochen.
Wir waren alle sehr zuversichtlich, dass SUP sehr bald in die Olympischen Spiele integriert werden würde, aber wir wurden immer wieder enttäuscht.
Wir können das hinter uns lassen und uns anschauen, wie die einzelnen Organisationen den Sport behandeln – und sie könnten nicht unterschiedlicher sein.
Planet Canoe – Planet Schlipstäger đź‘”
Die ICF begann erst sehr spät, sich für den Sport zu interessieren, hat aber einen starken Vorstoß unternommen, um das Wohlwollen der SUP-Gemeinschaft zu gewinnen. Das ist ihnen mit ihren Veranstaltungen in China, Ungarn und Polen gelungen. Dann war die Flitterwochenphase vorbei und die ICF begann, einem Sport ihren Stempel aufzudrücken, der aus einer völlig anderen Kultur stammt als ihrer eigenen. Die Verantwortlichen kennen den Sport nicht, geschweige denn seine Kultur.

In Ungarn waren sie schockiert, dass die SUP-Athleten sich nicht an die Kleiderordnung auf dem Podium hielten. Die ICF wird von Schlipsträgern geführt, und das zieht sich durch ihr gesamtes Handeln.
➡️ Nicht jeder mochte Sandalen und Barfüße.
Das heißt aber nicht, dass ihre Organisatoren nicht wissen, wie man spannende Rennen veranstaltet. Die ICF hat immer wieder bewiesen, dass Flachwasser-SUP-Rennen sehr aufregend sein können. Wenn es um die Organisation von Rennen geht, ist die ICF aufgrund der reinen Natur ihrer DNA klar im Vorteil: Paddelrennen. Leider gelingt es ihr nicht, sich an die kleinen Nuancen anzupassen, die der SUP-Sport mit seiner Kultur mit sich bringt.
Es ist bedauerlich, dass die ICF einen so groĂźartigen Auftritt in den Sport hinlegte – und die Gemeinde umgarnte – nur um dann in ihre alten Struckturen zu fallen. Es war klar, dass die Qualität der Veranstaltungen zwischen Ungarn und Sarasota stark abgenommen hat.
Ihre größte Schwäche sind jedoch nicht ihre Veranstaltungen: Es ist die Art und Weise, wie sie den Sport kommunizieren und vermarkten.
Als sie auf den Plan traten, hofften alle, dass die ICF den Aloha-Spirit und die Surfkultur im SUP-Sport erkannt hatte und daran teilhaben wollte, um ihren eigenen Sport jĂĽnger und trendiger zu machen. Stattdessen ist das Gegenteil der Fall.

Bis heute haben sie nicht verstanden, dass wir auf Boards und nicht auf Booten Rennen paddeln. Sie behandeln SUP wie eine weitere Kanu-Disziplin – und das ist nicht, was SUP ist. SUP ist aus dem Surfen hervorgegangen. Es waren Surfer, die SUP-Rennen ins Leben gerufen haben, nicht Kanupaddler, die eines Tages beschlossen haben, aufzustehen, um etwas zu ändern. SUP ist nicht Kanadier Paddling Standing Up!
Probleme bei der Live-Produktion und Paywalls
AuĂźerdem ist es sehr bedauerlich, dass die ICF trotz all ihrer Kapazitäten immer noch nicht in der Lage ist, eine Live-Ăśbertragung zu produzieren, die unserem Sport gerecht wird. Das jĂĽngste Beispiel war die Veranstaltung in Abu Dhabi. Während die Stimmen am Mikrofon die richtigen waren, sahen die KamerafĂĽhrung und die Produktion wie eine Hobbyveranstaltung aus – und dann besaĂźen sie auch noch die Frechheit, die Zuschauer aufzufordern, fĂĽrs Zuschauen zu bezahlen. Die frustrierten Kommentare in der Live-Ăśbertragung machten das sehr deutlich.
Eine Sportart, die verzweifelt nach einem größeren Publikum sucht, hinter eine Bezahlschranke zu stellen, ist ein Skandal und absolut kontraproduktiv. Schau dir einfach mal ihren YouTube-Kanal an und achte auf die Aufrufe.
Behandle SUP wie einen Kanu-Hobbysport und es bleibt ein… Hobbysport.
Partizipationsmodell
Was die Teilnahme angeht, verfolgt die ICF einen klaren Ansatz:
Anstelle eines Qualifikationsverfahrens wie bei der ISA kann sich jeder anmelden. Das hat zur Folge, dass die ICF Worlds Paddler aller Altersgruppen aus der ganzen Welt anziehen. Es ist toll zu sehen, wie Amateure neben der Elite starten und die älteren Paddler stolz auf ihre Leistungen sind. Dadurch wird der Sport weiter gefördert – aber warum sollte man Geld verlangen, um Hobby-Paddler paddeln zu sehen?
Die ICF behandelt ihre Weltmeisterschaften wie eine groĂźe internationale SUP-Veranstaltung, zu der jeder eingeladen ist. Die Teilnehmerzahlen spiegeln das wider. Auch wenn die Teilnehmerzahl in Abu Dhabi geringer war als in den Vorjahren, war es dennoch eine sehr groĂźe Veranstaltung.
Das ICF ist in der Lage, Jahr für Jahr zuverlässig sein Produkt zu liefern. Auch wenn es seine Fehler hat: Wir kennen die zukünftigen Veranstaltungsorte bereits:
- 2026: Sizilien
- 2027: Sarasota
Diese Zuverlässigkeit wird in der SUP-Community sehr geschätzt und zeigt ein Maß an Professionalität und Vorausdenken, wie es nur Schlipsträger leisten können.
Planet Surf – Planet Unzuverlässig
Die ISA hat den Schlüssel zu den Olympischen Spielen und ist seit 2013 bei SUP dabei. Sie hat SUP als das gesehen, was es ist: ein Surfsport, der von Surfern erfunden wurde. Sobald sie ein Event veranstalten, ist ihre Inszenierung immer toll anzusehen. Sie wissen, wie man den Sport vermarktet und ihn cool aussehen lässt.
Das jĂĽngste Beispiel in El Salvador hat das wieder einmal bewiesen: Eine riesige Produktion, kostenlos anzuschauen, Inhalte zum Teilen fĂĽr alle – so wird man viral. Alles sah sehr professionell aus und die Qualität des Webcasts war ein VergnĂĽgen zu sehen. Es wurden mehrere Kommentatoren angeheuert und ĂĽberall Kameras aufgestellt. Direkt nach der Veranstaltung luden sie ihre Inhalte hoch, damit Medien wie wir sie teilen konnten. Nach jedem Rennen gab es ein Highlight Reel.
Das Problem der Verlässlichkeit
In den 13 Jahren, in denen die ISA in diesem Sport tätig ist, war sie jedoch nicht ein einziges Mal ein verlässlicher Partner fĂĽr die SUP-Community. Sie lässt alle im Ungewissen, macht groĂźe AnkĂĽndigungen, bildet Komitees – und dann passiert nichts. Was SUP angeht, hören wir von der ISA bestenfalls einmal im Jahr.
Das jüngste Beispiel war der stolz angekündigte SUP-Ausschuss, der letztes Jahr in Amsterdam mit angesehenen Namen besetzt wurde. Was haben wir mehr als ein Jahr später von diesem Komitee gehört? Nichts. Ein ähnliches Szenario gab es vor vielen Jahren, als Casper Steinfath zum Vizepräsidenten der ISA ernannt wurde, nur dass ihm die meiste Zeit die Hände gebunden waren und er sich schließlich nicht zur Wiederwahl stellte.
Die Tatsache, dass die ISA ihre letzte Veranstaltung weniger als 45 Tage vorher ankündigte, ist genauso empörend wie die Paywall der ICF. Wir haben von Anfang an über die ISA berichtet, und das ist ein ständiges Thema gewesen. Wie kann man auf so wackligem Boden einen Sport aufbauen und einen Weg zu den Olympischen Spielen bieten?
Die ISA hat über 30 Jahre gebraucht, um das Surfen in die Olympischen Spiele zu bringen, und das Longboard-Surfen wurde letzten April abgelehnt. Warum sollte es bei SUP anders sein? Los Angeles 2028 ist weg, Brisbane 2032 ist auch sehr fraglich und die nächste Chance ist 2036.
Shrimpy, der heute 19 Jahre alt ist, wird höchstwahrscheinlich schon fast zu alt sein, bevor die ISA auch nur die geringste Chance hat, SUP in die Olympischen Spiele zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt bezweifeln wir sogar, dass wir noch da sein werden, um im Stand Up Magazin darĂĽber zu schreiben. Wie dem auch sei…
Die niedrigen Teilnehmerzahlen bei der diesjährigen ISA-Veranstaltung unterstreichen ihr Kernproblem, nämlich unzuverlässig zu sein. In El Sunzal haben wir mehrere Elitepaddler vermisst, und es gab praktisch keine asiatischen oder osteuropäischen Teilnehmer.
Anders als die ICF verwendet die ISA ein qualifikationsbasiertes System. Die Länder entsenden ihre Eliten, die durch nationale Auswahlen ausgewählt werden. So wird sichergestellt, dass die Veranstaltung Athleten auf höchstem Niveau präsentiert. Die ISA ist keine Veranstaltung, zu der jeder kommen kann. Schon die Teilnahme an der ISA ist eine Leistung.
Ozeanbedingungen unterstreichen Philosophieunterschiede

Das diesjährige Event zeigte die völlig andere Philosophie der ISA, die SUP durch die Brille der Surfkultur betrachtet. Die Wellen waren manchmal was gross und der Shorebreak erinnerte uns an die besten Tage in Dana Point und Salt Creek.
Es war kein sauberer, steriler Wettkampf. Die Rennen wurden manchmal durch GlĂĽck, Technik und Faktoren, die auĂźerhalb der Kontrolle der Athleten lagen, entschieden.
Eine Sache wurde wieder einmal klar: Wenn du keine Erfahrung mit dem Ozean hast, war diese Veranstaltung nichts fĂĽr dich.
Wie wir schon mehrfach betont haben: Wenn dieselben Leute, die in Abu Dhabi und bei anderen ICF-Events waren, in El Salvador gewesen wären, hätte mehr als die Hälfte nicht einmal ihr Board (nicht das Boot) ins Wasser gesetzt. Für die meisten Teilnehmer wäre es ein komplettes Desaster gewesen.
Und das bringt uns zu einer groĂźen und letzten Frage:
SUP Community was wollt ihr?
Das ist vielleicht doch nicht die erste Frage, eher warum hören wir nicht mehr von Sportlern? Es ist selten, dass sich jemand in der Öffentlichkeit äußert. Die Athletinnen und Athleten sind nicht untereinander organisiert, um ihre Bedürfnisse und Wünsche mit einer gemeinsamen Stimme zu vertreten. Wir haben zwar keine Antwort darauf, aber wir haben eine klare Antwort darauf, was wir wollen: Das Beste aus beiden Welten.
SUP hat sich zu einem globalen Sport entwickelt und zieht sowohl Meerespaddler als auch Flachwasserpaddler an. Wir müssen in beiden Bereichen präsent sein. Wenn du der weltbeste Paddler sein willst, musst du dich in allen Disziplinen und Gewässern auskennen. Was die ISA in El Salvador gezeigt hat, war zuschauerfreundlich und SUP auf höchstem Niveau.

Aber die ISA konnte nicht alle Paddler ansprechen. Das beste Beispiel dafĂĽr war Csillag Kocsis aus Ungarn, die sich in den Wellen von El Sunzal offensichtlich nicht zu 100% wohl fĂĽhlte. Wir verstehen das. Es unterstreicht den Punkt von oben, aber wir wollen SUP als Ocean Sport mit all seinen Aspekten begreifen. Wir wollen auch saubere, manchmal etwas sterile Bahnenrennen in 100m-Sprints sehen.
Lose SUP-Rennen während des Jahres auf der ganzen Welt zu haben, ist toll für den Sport und die Hobby-Paddler da draußen. Wir brauchen das. Dennoch gibt es keinen Weg für einen inspirierten Athleten, der auf höchstem Niveau antreten und tatsächlich etwas erreichen will.

Das ist es, was wir wollen:
- Wir wollen mindestens 6 Rennen mit ISA-Elite-Status und ICF-Charakter, fĂĽr die sich jeder anmelden kann.
- Wir wollen, dass diese Rennen abwechselnd im Flachwasser und auf dem Meer stattfinden, sogar mit Wellen, wie wir sie in El Salvador gesehen haben.
- Wir wollen eine Weltmeisterschaft pro Jahr, die als 7. Veranstaltung nach den 6 vorangegangenen Rennen ihren Höhepunkt findet.
- Wir wollen, dass all diese Rennen live und ohne Bezahlschranken in der ISA Manier ĂĽbertragen werden.
- Wir wollen, dass die besten 30-40 Athletinnen und Athleten von ihrem Sport leben können und bei allen Rennen dabei sind.
Ist diese Forderung realistisch?
Im Moment sehen wir das nicht so. Das Budget für 6 ISA/ICF-ähnliche Veranstaltungen mit einem großen Finale am Ende des Jahres liegt weit jenseits der finanziellen Möglichkeiten unserer Branche. Es bräuchte eine Finanzspritze von einem Unternehmen (r) mit einer gewissen Leidenschaft für den Sport und einem sehr, sehr großen Bankkonto.
Was ist realistisch?
Traurigerweise ist das der aktuelle Status Quo. Die ICF wird weiterhin ihre Events veranstalten und die weitere Kanuifizierung von SUP vorantreiben. Sie wird weiterhin die Forderungen der SUP-Gemeinschaft ignorieren, die Surfkultur Teil des ICF wird. Die Wettkämpfer werden auf Booten sitzen und die Veranstaltungen werden von Leuten durchgeführt, die unserer Kultur und unserer Herkunft völlig fremd sind. Sicher ist auch, dass wir bereits die nächsten beiden Austragungsorte für die ICF Worlds kennen und darauf vertrauen können, dass sie stattfinden und viele Leute sich anmelden werden.
Auch für die ISA wird sich nicht viel ändern. Sie kämpfen weiterhin um die Finanzierung und die Austragungsorte für ihre zukünftigen Veranstaltungen. Sie werden uns bis zur Hälfte des Jahres 2026 im Ungewissen lassen. Vielleicht werden sie auf El Salvador oder ein anderes mittel- oder südamerikanisches Land zurückgreifen müssen, dessen Regierungen gerne für die Veranstaltung zahlen.
Was das Stand Up Magazin angeht, so werden wir weiterhin über den Sport an sich schreiben und können nur hoffen, dass sich die Dinge eines Tages ändern werden. In der Zwischenzeit: Danke für deine Unterstützung oder nicht.
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