Diese Frage ist keine neue – sie taucht in der SUP-Branche immer wieder auf. Besonders dann, wenn es wirtschaftlich nicht so gut läuft, stellt sich die Branche selbstkritisch die Frage: „Produzieren wir eigentlich für die richtigen Menschen?“
Wenn jemand eine ehrliche Antwort darauf geben kann, dann ist es Jens von Gersdorff vom Get Up Stand Up Shop in Kappeln. Kaum jemand ist mit so viel Herzblut und Leidenschaft dabei wie er. Jens gehört seit vielen Jahren zur deutschen SUP-Community und treibt den Sport aktiv voran.
In einem viel beachteten Video prangert er den Zustand der Branche an – oder besser gesagt: den Umstand, dass sich vieles nur noch um Racesport und SUP-Wave-Disziplinen dreht, während der Otto-Normal-Paddler zunehmend vergessen wird.
Ein berechtigter Punkt
Jens spricht hier einen Punkt an, über den auch wir beim Stand Up Magazin nachdenken müssen. In den vergangenen Jahren hat sich bei uns – wie in vielen Bereichen der Szene – eine gewisse Betriebsblindheit eingeschlichen.
Wir verfolgen mit Begeisterung, was in der Rennszene passiert, berichten fasziniert über Downwind-SUP-Foiling und sind an vorderster Front dabei, wenn es um Parawing-Entwicklungen geht. Doch all das sind Nischensportarten, die nur wenige wirklich beherrschen – oder überhaupt Ambitionen dafür haben.
Vom Windsurfen lernen
Als wir vor rund 15 Jahren zum SUP kamen, wussten wir kaum etwas über Windsurfen. Schnell wurde klar, dass sich dort dieselben Player tummelten wie später beim SUP.
Und genau dort zeigt sich eine Parallele: Das Windsurfen starb aus, weil es für normale Menschen zu kompliziert wurde.
Die Entwicklung verlief immer ähnlich:
Ein Sport beginnt breit und zugänglich, viele Menschen machen mit. Dann wollen die Protagonisten die Grenzen verschieben, testen Material und sich selbst, treiben die Performance immer weiter – bis das Material und die Bedingungen irgendwann nur noch für Profis taugen.
Im Windsurfen entstanden daraus Sinkerboards, extreme Geschwindigkeiten und Wettbewerbe in Bedingungen, die für Hobby-Surfer schlicht zu heftig waren. Der Sport drehte sich plötzlich nur noch um die Top-Athleten in Ho‘okipa, die perfekten Wellen und das Image des Extremen. Der Rest? Nicht mehr cool genug.
Trotzdem: Robby Naish wurde ein Superstar. Viele Deutsche folgten seinem Traum, wanderten auf die Kanaren oder nach Hawaii aus – dorthin, wo die großen Wellen warten. Doch der Sport selbst schrumpfte, die Umsätze halbierten sich, und die Branche verlor den Kontakt zum normalen Kunden.
SUP, Wing und Foil im Zeitalter von Social Media
Heute stehen wir an einem ähnlichen Punkt. In Zeiten von Social Media entsteht fast aller Content aus der Sicht derjenigen, die den Sport am Limit betreiben.
Beim SUP stammen rund 90 % des Materials von Racern. Wingfoiling boomt, angetrieben von Contests und Events. Auch Pumpfoiling wächst dank engagierter Protagonisten und Organisationen wie der SFT, die sich ausschließlich diesem Thema widmet.
Die Medien fokussieren sich auf Weltmeisterschaften und Rennserien. So klein diese Bereiche auch sind – sie erzeugen den Content, und der Content hält den Sport lebendig.
Wir alle schauen fasziniert zu, wenn SUP-Athleten um Hundertstelsekunden kämpfen, Kai Lenny mit 40 km/h über das offene Meer foilt oder das Maui-Supertalent Cash Berzolla spektakuläre Wingfoil-Manöver zeigt. Doch das sind Ausnahmeathleten. Die meisten schauen nur zu – und manche sagen sich: „Das ist nichts für mich.“ Genau hier liegt das Problem, das Jens anspricht.
Seine Kunden interessieren sich kaum für den Rennsport. Weniger Menschen – vor allem Jüngere – träumen heute von großen Wellen und goldenen Sandstränden und fragen sich: „Könnte ich das auch?“
Brücken schlagen
Die entscheidende Frage lautet also: Wie bringen wir die Welt der Profis und die der Normalos wieder zusammen?
Ein Blick auf unseren YouTube-Kanal zeigt: Unsere Foiling-Videos sprechen ein Publikum von 40- bis 60-jährigen Hobbysportlern an – Menschen, die sich das Equipment leisten können. Aus dieser Perspektive heraus machen wir auch unsere Videos. Junge Fahrer sind meist gesponsert oder werden von ihren Eltern unterstützt.
Vor ein paar Jahren hat die Foil-Branche dieses Potenzial für kurze Zeit erkannt und Anzeigen mit Athleten über 40 geschaltet.
Die SUP-Raceszene besteht heute überwiegend aus Ü40-Athleten und wird stetig älter. Auch im Wingfoilen sind es häufig ehemalige Windsurfer, die es noch einmal wissen wollen. Für Pumpfoiling fühlen sich viele bereits zu alt, und auch beim Parawing bleibt es oft beim Zuschauen.
Aber: SUP und Wingfoil sind perfekt für die Generation 50+ die es nocheinmal wissen wollen. Genau mit diesen Menschen sollte die Branche werben.
Neue Geschichten statt alter Rekorde
Wir brauchen Geschichten, die inspirieren – nicht nur Clips von Athleten, die, wie Jens es treffend sagt, „wie Nähmaschinen nageln und 200 Meter den Hafen runterhetzen“.
Wir wollen SUP-Touren, Reisegeschichten, Entdeckungen neuer Spots – erzählt von ganz normalen Menschen wie du und ich.
Das Problem: Diese Leute sind keine Content-Creator. Sie teilen ihre Erlebnisse selten in sozialen Medien und noch seltener mit Magazinen. Die Branche kennt sie nicht – und kann ihren Content daher kaum nutzen.
Doch genau darin liegt eine riesige Chance: High-Performance-Material kann inspirieren, wenn man zeigt, wie viel Freude es auch im Alltagsgebrauch macht. Die Branche muss diese Geschichten finden und sie in die „Low-Performance“-Zielgruppe tragen.
Fazit:
Wenn der SUP-Sport weiter wachsen soll, müssen wir ihn wieder für normale Menschen erzählen. Für jene, die paddeln, weil sie Natur, Bewegung und Gemeinschaft lieben – nicht, weil sie Weltmeister werden wollen.
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